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Dieser Artikel sollte hier gar nicht stehen: Morddrohungen und Hassbotschaften von Impfgegnern und Corona-Leugnern haben eine junge Hausärztin in den Tod getrieben. Nun werden Behörden für fehlenden Schutz kritisiert.
Eine oberösterreichische Hausärztin (36), die zuletzt wegen Morddrohungen ihre Praxis geschlossen hat, ist am Freitag tot in ihrer Ordination im Bezirk Vöcklabruck gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft Wels, die zuvor bereits Ermittlungen gehen die Urheber der monatelangen Morddrohungen aus der Covid-19-Maßnahmengegner- und Impfgegner-Szene eingestellt hatte, betonte keine weiteren Ermittlungen durchführen zu wollen. Es seien Abschiedsbriefe gefunden worden, zu deren Inhalt man nichts sagen wollte. Es wurde keine Obduktion angeordnet.
Die Medizinerin hatte unter anderem auf ihrer Homepage berichtet, dass sie monatelang in unregelmäßigen Abständen Repressalien bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt gewesen sei. Im Juni schloss die Ärztin wie berichtet die Ordination zunächst vorübergehend, schließlich verkündete sie die endgültige Schließung. Man könne Arbeitsbedingungen „wie wir sie die letzten Monate erlebt haben“, niemandem zumuten, begründete sie den Schritt. Peter Niedermoser, Präsident der oberösterreichischen Ärztekammer, zeigte sich tief erschüttert. Mit der verstorbenen Ärztin habe man erst vergangene Woche einen „Hilfsplan“ für den Fortbestand ihrer Ordination besprochen und dafür einen Rechtsanwalt beauftragt.
Die Staatsanwaltschaft Wels hatte im Juni das Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Verdächtigen eingestellt – mit der Begründung, man sei nicht zuständig, sondern deutsche Behörden. Eine Hacker-Aktivistin machte allerdings binnen kürzester zwei Deutsche ausfindig, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen. In Österreich ermittelt die Polizei weiter gegen unbekannte Täter, weil davon auszugehen sei, dass die Vorwürfe mehrere Personen betreffen, wie es seitens der Ermittler heißt. An diesen Ermittlungen ändere auch der Tod der Frau nichts, man warte nach wie vor auf den Abschlussbericht der Polizei, so eine Staatsanwaltschaftssprecherin.
„Zutiefst schockiert“ zeigt sich die Österreichische Ärztekammer von der Nachricht des Ablebens der Kollegin. Dieses tragische Ereignis würde in erschreckender Weise zeigen, welche Folgen Hass im Netz haben können, sagte Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in einer Aussendung. Schon seit Längerem sei das medizinische Personal in Spitälern und Ordinationen einer stetig steigenden Gewalt ausgesetzt. Der aktuelle tragische Fall zeige einmal mehr die Notwendigkeit von Unterstützung für die im Gesundheitswesen Tätigen, sowohl „was den direkten Schutz betrifft als auch Angebote von Supervision und Krisenbewältigung im Falle von Bedrohungen“.
Am Montagabend ist eine Gedenkveranstaltung für die Ärztin in Wien geplant. Daniel Landau, Organisator und Initiator des Lichtermeeres #YesWeCare, gab auf Twitter bekannt, eine Veranstaltung für 20 Uhr am Stephansplatz angemeldet zu haben. Die Ärztekammer will das unterstützen und ruft alle Ärzt:innen zur Teilnahme auf. Noch am Wochenende wird eine Verständigung an alle Wiener Ärzt:innen hinausgehen mit der Bitte, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen und so als Ärzteschaft „ein eindrucksvolles Zeichen für Solidarität und gegen Gewalt und Hass“ zu setzen, sagte Steinhart.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) reagierte bestürzt auf die Nachricht vom Tod der Ärztin: Sie habe „ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität. Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören“, schrieb er auf Twitter. Die oberösterreichische Gesundheitslandesrätin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete in einer Aussendung nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch rasche Schritte, „denn Hass, Intoleranz und Gewalt sind nie die Antwort, sondern stets die hässliche Seite der Gesellschaft. In einem vereinten Europa sollte auch eine Strafverfolgung für Delikte dieser Art grenzüberschreitend möglich sein. Vielmehr noch, sie müssen möglich sein“.
Die Internet-Journalistin Ingrid Brodnig twitterte neben Beileidswünschen: „Auch die Exekutive soll das eigene Handeln oder Nicht-Handeln in diesem Fall aufklären müssen.“ Die Polizei war im Zuge der Ermittlungen in die Kritik geraten, zu wenig getan zu haben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich wies dies gegenüber der APA zurück: Man sei seit November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht ihr Schutz zu bieten. Man habe „alles getan, was möglich ist“, sowohl was Sicherheit als auch was die Ermittlungen betreffe. Letztere seien noch im Laufen, bestätigte er. (red/APA)