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Aktuell sei es wichtiger denn je, Patient:innen konsequenter und stringenter durchs Gesundheitssystem zu lenken, unterstreicht die Österreichische Ärztekammer in einem Vorstandsbeschluß.
Mit der Einführung der e-Card 2005 ist mit dem Krankenschein das damalige Modell der Patientensteuerung weggefallen, das den Zugang zu Krankenhaus oder zum fachärztlichen Bereich reglementiert hat. Seither ist eine zunehmende Orientierungslosigkeit der Patient:innen festzustellen, konstatiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Überfüllte Ambulanzen würden beispielsweise ein Zeugnis davon ablegen, dass zu oft der falsche Zugang in der Versorgungspyramide gewählt werde.
Zudem sinke auch die generelle Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung. In einer europäischen Vergleichsstudie von 2015 lag Österreich in der Kategorie „unzureichende Gesundheitskompetenz“ mit 18,2 Prozent der Bevölkerung auf dem traurigen zweitletzten Platz vor Bulgarien. Dazu komme noch die Verunsicherung durch „Dr. Google“. „Die Alltagserfahrung zeigt, dass viele Patientinnen und Patienten nach einer Internet-Selbstdiagnose von viel zu gravierenden Krankheitsbildern ausgehen und daher Anlaufstellen wählen, die für den Anlassfall meist zu hoch spezialisiert sind“, sagt Steinhart.
Angesichts der aktuellen Mängel in der Gesundheitsversorgung, vor allem bei Ärzt:innen sowie anderen Gesundheitsberufen, sei es daher so wichtig wie nie, die Lenkung der Patientenströme strukturierter und konsequenter aufzustellen. Ein entsprechender Beschluss wurde nun in einer Vorstandssitzung der Österreichischen Ärztekammer gefasst. „Dazu gehört aus unserer Sicht die Vorgabe von klar strukturierten Pfaden ebenso wie eine deutliche Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Denn man kann Patientinnen und Patienten nicht zumuten, dass sie die aktuellen Entwicklungen im kassenärztlichen Bereich, vor denen die Ärztekammer immer gewarnt hat, jetzt ausbaden“, sagt Steinhart. Dennoch sei es widersinnig, zuzulassen, dass Leistungen eigenmächtig an den teuersten Punkt der Gesundheitsversorgung, die Spitäler, verlagert werden, wenn diese im niedergelassenen Bereich optimal erbracht werden könnten. Zudem sei es eminent wichtig, die Spitalsambulanzen rasch zu entlasten. „Die aktuelle Überfüllung der Ambulanzen bedeutet Raubbau an der Ressource Arzt – das kann kein gangbarer Weg für die Zukunft sein“, erklärt Steinhart.
Er spricht sich aber gegen eine Rückkehr der Ambulanzgebühr aus. „Viele Rückmeldungen von Ärztinnen und Ärzten haben gezeigt, dass die Ambulanzgebühr in der Praxis schwer umsetzbar ist. Letztendlich entschieden sich viele dafür, diese gar nicht einzukassieren. Ich stehe einer Ambulanzgebühr daher auch deshalb sehr skeptisch gegenüber“, sagt der ÖÄK-Präsident. Dieses Mittel sei auch zu kurz gedacht. „Ich erwarte mir zur Patientenlenkung von Politik und Systempartnern praktikablere und treffsicherere Werkzeuge, die gleichzeitig das Recht des Patienten auf freie Arztwahl respektieren“, fordert Steinhart. Man müsse dennoch darüber nachdenken, die Patientenlenkung auch mit einem stringenteren Reglement zu versehen. „In vielen europäischen Ländern gibt es bereits Modelle, die vielversprechend sein können. Wir bringen uns als Vertretung der Ärzteschaft selbstverständlich gerne mit unserer Kompetenz in die Entwicklung eines österreichischen Weges ein“, so der ÖÄK-Präsident abschließend. (red)