Eine neue Studie des Beratungsriesen McKinsey sorgt für Unmut innerhalb der Ärztekammer und im gesamten Gesundheitsbereich: Der Consulter sieht ungenutztes Potenzial bei digitalen Gesundheits-Diensten und will damit 4,7 Milliarden einsparen.
Die vergangenen 15 Pandemiemonate war es ruhig um das Thema Einsparungen im Gesundheitswesen. Damit dürfte es nun vorbei sein. Österreichs Gesundheitssystem könnte durch Digitalisierung weit weniger Geld kosten, sagt die Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey: Laut ihrer Studie lassen sich bis zu 4,7 Milliarden Euro einsparen, würde das österreichische Gesundheitswesen alle Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen. Das entspreche rund 14 Prozent der gesamten Gesundheits- und Vorsorgekosten in Österreich. Den größten Teil des „Nutzenpotenzials“ macht demnach die Online-Interaktion aus. Hier hätten im Jahr 2019 rund 1,5 Milliarden Euro gespart werden können. Es folgen die papierlosen Daten mit 900 Millionen Euro. Einsparungen bei automatisierten Arbeitsabläufen, Entscheidungsunterstützung und „Patienten-Selbstmanagement“ schlagen mit jeweils 700 Millionen Euro zu Buche.
Schon jetzt stehe Österreichs Gesundheitssystem im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz an der Spitze, nicht zuletzt durch die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) und den eImpfpass. International befinde man sich aber noch im Mittelfeld. Das liege vor allem an der limitierten Nutzung von Gesundheitsdaten, so die Experten von McKinsey. Derzeit würden diese fast ausschließlich zur primären Gesundheitsversorgung genutzt und auch noch nicht flächendeckend. Dabei lägen die Vorteile auf der Hand: Das Gesundheitssystem werde produktiver, das Personal entlastet und die Kommunikation schneller. Auch ELGA werde noch nicht in dem Maße genutzt, wie die Elektronische Akte genutzt werden könnte, befindet McKinsey. Dabei würden Umfragen belegen, dass Patienten zum Großteil solche Möglichkeiten nutzen wollen. Ganz oben auf der Liste stehen etwa Online-Terminvereinbarungen. Aber: „Im Gesundheitsbereich gibt es noch zu wenig Anwendungen, die eine Amazon-artige User-Experience bieten.“
Die Ärztekammer reagiert ob solcher Aussagen alarmiert. „Das ist ein weiterer Versuch von Gesundheitsökonomen, bei hochqualifiziertem Personal zu sparen“, kritisiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Telemedizin und Apps könnten die durchgehende Betreuung von Patienten unterstützen, aber sie könnten keinesfalls den Arzt ersetzen, betont er: „Natürlich ist die Telemedizin gerade während der Pandemie eine hervorragende Lösung, die Patienten weiter betreuen zu können, aber auch die digitalen Möglichkeiten sind enden wollend.“ Gerade im Hinblick auf die Betreuung von chronisch Kranken, die aufgrund der demografischen Entwicklung auch in Zukunft einen erheblichen Teil der Patienten ausmachen werden, sei eine zusätzliche Betreuung durch digitale Lösungen eine wertvolle Ergänzung: „Aber es wird nicht ohne den direkten, persönlichen Kontakt zwischen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten und den Patienten gehen“, sagt der ÖÄK-Präsident. Statt sich zu überlegen, wie man im Gesundheitssystem einsparen könnte, sollte im Gegenteil darüber nachgedacht werden, wo im System investiert werden muss: „Wir haben seit Jahren das Problem mit überlasteten Spitälern und Personalknappheit sowie mit unbesetzten Kassenstellen – diese Probleme gehören endlich angegangen“, kritisiert Szekeres. Die Ausgaben im Gesundheitsbereich sind in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, und das obwohl die Bevölkerung älter wird und vom medizinischen Fortschritt profitiert. (red)