Wissenschafter der MedUni Graz forschen an Mechanismen der Herzinsuffizienz und schreiben dabei einem Wachstumsfaktor eine zweischneidige Wirkung zu.
In Österreich leben rund 250.000 Menschen mit Herzinsuffizienz – mit stetig steigender Prävalenz aufgrund der höheren Lebenserwartung. Simon Sedej von der Klinischen Abteilung für Kardiologie der MedUni Graz und sein Team forschen seit Jahren an den Zellmechanismen und metabolischen Veränderungen, die für Herzinsuffizienz verantwortlich sind. Sie haben einen bestimmten Laborwert im Körper im Visier, der für ein zunehmendes Versagen der Herzfunktion im Alter verantwortlich sein kann. Ihre jüngsten Erkenntnisse haben sie nun im Fachjournal „Circulation“ veröffentlicht.
Demnach belegen klinische und experimentelle Untersuchungen, dass das als insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1 bekannte Peptidhormon IGF1 im Herzen eine wesentliche Funktion bei der Regulierung des Wachstums und der Kontraktionskraft des Herzens und des Stoffwechsels spielt. Bei Herzversagen wird aber immer wieder eine erhöhte IGF1-Expression und Signalaktivität nachgewiesen. „Bisherige experimentelle Studien an Mäusen haben gezeigt, dass eine erhöhte IGF1-Rezeptoraktivierung im Herz sowohl negative als auch positive Wirkung auf die Herzfunktion ausüben kann. Trotz großer Relevanz des kardialen IGF1-Signalwegs auf die Herzfunktion blieben diese kontroversen Ergebnisse lange ungeklärt“, schilderte Sedej den bisherigen Wissensstand.
Ein internationales Team unter seiner Leitung hat daher an Mäusen im Detail untersucht, welche Folgen die hohe bzw. niedrige IGF-Rezeptoraktivierung über die Lebenszeit der Tiere hinweg hat. Die Forscher griffen auf zwei Mausgruppen zurück, wobei die erste eine erhöhte und die andere eine niedrige IGF1-Signalaktivität aufwies. So konnte direkt verglichen werden, wie sich Veränderungen der normalen IGF1-Signalaktivität auf die Herzfunktion im Verlauf des Lebens auswirken. Es zeigte sich, dass junge Mäuse mit erhöhter IGF1-Signalaktivität eine bessere Herzfunktion hatten. Diese hat sich jedoch im Laufe des Lebens schneller verschlechtert als bei normalen Mäusen. Es kam früher zu Herzinsuffizienz und schlussendlich einer niedrigeren Lebenserwartung. Die jungen Mäuse mit verminderter IGF1-Signalaktivität zeigten hingegen anfangs ein abgeschwächtes Herzwachstum und eine beeinträchtigte Herzfunktion, die sich im Alter allerdings verbesserte und letztlich zu einer höheren Lebenserwartung führte.
Das Studienteam schließt daraus, dass sich hohe IGF1-Signalaktivität im Herz zumindest bei Mäusen positiv auf das Herzmuskelwachstum, die Kontraktionskraft und den Stoffwechsel in der Jugend auswirkt. Im Alter ist für die Herzfunktion der Mäuse jedoch eine niedrigere IGF1-Signalaktivität vorteilhafter. Diese Ergebnisse würden laut den Studienautoren darauf hinweisen, dass die Beziehung zwischen der IGF1-Signalübertragung und der Herzgesundheit nicht linear, sondern eher zweiphasig sei. Daher könnte eine pharmakologische Hemmung des IGF1-Signalwegs – obwohl für junge Menschen ungeeignet – bei älteren Menschen die altersbedingte Verschlechterung der Herzleistung durchaus unterdrücken und eine Überlegung wert sein. (red/APA)
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