Die Österreichische Gesellschaft für Neurologie und die Österreichische Alzheimer Gesellschaft berichteten anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages am Dienstag über die Entwicklungen im Bereich neuer Demenz-Therapien.
„Die medizinischen Errungenschaften und mehr ausgewogene Lebensweisen führen zu einer stetigen Steigerung unserer Lebenserwartung. In Österreich wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren der Anteil der über 60-Jährigen von 24% auf 37% an der Gesamtbevölkerung anwachsen. Bei Neurodegenerativen Erkrankungen, die häufiger im höheren Erwachsenenalter auftreten können, ist die Prävention ein wichtiger Faktor. Dabei stellen eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, Neugierde und soziale Kontakte wichtige Säulen in der Vorbeugung dieser Erkrankungen“, sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie und Leiter der Universitätsklinik für Neurologie in Wien, Thomas Berger.
Ein wichtiger Faktor in der Behandlung von Morbus Alzheimer sei die Entwicklung neuer Wirkstoffe. Aktuell sind 126 Substanzen bei 38.000 Alzheimer-Patienten in der klinischen Wirksamkeitsprüfung. „Der Monoklonale Antikörper Aducanumab wurde von der US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) im Juni 2021 als erste kausal-wirkende neue Substanz für die Behandlung von Morbus Alzheimer zugelassen – dies kann als Milestone in der Demenzbehandlung bezeichnet werden. Trotzdem kommen bis jetzt auch die symptomatischen Wirkstoffe nicht ausreichend zum Einsatz“, sagt der Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft, Peter Dal-Bianco. Aducanumab wird einmal monatlich als intravenöse Infusion verabreicht und soll die aus Beta-Amyloid bestehenden senilen Plaques im Gehirn abbauen. Die Zulassung von Aducanumab wurde auch bei der European Medicines Agency (EMA) beantragt – die Entscheidung steht noch aus.
Aber selbst bei bewiesener Wirksamkeit werden einige Herausforderungen entstehen: Bei den Nebenwirkungen gilt es vor allem auf die „Amyloid-related Imaging Abnormalities (ARIA)“ zu achten: Denn in 41% traten sie bei den mit der Hochdosis behandelten Patienten auf. Das habe zur Folge, dass bei der Behandlung ein engmaschiges Monitoring mit einer regelmäßigen MRT-Kontrolle notwendig sein wird, sagten die Experten. Seit mehr als 20 Jahren kommen bei der symptomatischen Behandlung von Alzheimer einer der folgenden Acetylcholinesterase-Hemmer zum Einsatz: Donepezil, Rivastigmin und Galantamin. Diese können das Fortschreiten der klinischen Symptomatik lediglich verlangsamen und die mit der Krankheit verbundenen Gedächtnisstörungen verzögern. „Alle drei Acetylcholinesterase-Hemmer werden in der medikamentösen Alzheimer-Therapie seit Jahren erfolgreich eingesetzt, sind top geprüft und gut verträglich“, unterstreicht Dal-Bianco.
Josef Marksteiner von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im KH Hall in Tirol bedauert, dass Medikamente gegen Morbus Alzheimer „nicht in dem Ausmaß verschrieben werden, wie dies indiziert wäre“. Auch bei den Betroffenen sieht er Verbesserungsbedarf: Diese nehmen die Medikamente zu kurzfristig ein – sei es, dass sie zu früh abgesetzt werden oder dass die Patienten die Therapie frühzeitig selbst abbrechen. Den Grund sieht Marksteiner darin, dass sich die Wirksamkeit der Antidementiva nur in kleinen, minimal wahrnehmbaren Schritten zeige. Für die „behandelten Patienten selbst bedeutet aber jede auch noch so kleine Verzögerung der Symptome eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebensqualität“, betont er. Jeder Patient mit Alzheimer solle das verschriebene Antidementivum mindestens sechs Monate hindurch erhalten. In der Praxis werde es aber häufig als erstes von der Verschreibungsliste gestrichen. (red)