Die Österreichische Adipositas Gesellschaft hat über Wirkungen und Nebenwirkungen der aktuellen Medikamente gegen Fettleibigkeit informiert und gab einen Ausblick.
Adipositas kann dann als Krankheit eingestuft werden, wenn sich ein medizinisches Problem höchstwahrscheinlich durch eine Gewichtsreduktion beheben lässt. Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Fettleber, Schlafapnoe bis hin zu Diabetes Typ 2. Das berichteten dieser Tage die beiden Internistinnen Johanna Brix – Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft ÖAG – und Bianca-Karla Itariu Vorstandsmitglied der ÖAG, bei einer Presseveranstaltung. Adipositas ist vor allem in Industrieländern stark im Steigen. In Österreich kann man das etwa an einem 15-Jahres-Vergleich bei jungen Männern sehen, die beim Bundesheer zur Stellung auf ihre gesundheitliche Tauglichkeit untersucht werden. Zwischen 2003 und 2018 ist die Anzahl der adipösen Jungmänner auf mehr als 10 Prozent gestiegen.
Vor allem die Diabetes-Forschung hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte im Verständnis von Adipositas erzielt. Dies habe zur Entwicklung von Medikamenten geführt, die das Sättigungsgefühl verstärken sowie den Appetit reduzieren und damit eine Gewichtsreduktion nachhaltig ermöglichen. „Damit hat ein neues Kapitel in der Therapie der Adipositas begonnen“, sagen Brix und Itariu. Problematisch sei dabei jedoch, dass Adipositas-Medikamente wie Liraglutid und Semaglutid in vielen Medien in erster Linie als „Abnehm- und Diät-Wundermittel“ bezeichnet werden und somit als Lifestyle-Präparate beworben werden. Solche Berichte ließen betroffene Menschen falsche und übertriebene Erwartungen hegen, warnen die beiden Repräsentantinnen der ÖAG.
Semaglutid ist ein künstlich nachgebautes Inkretin-Hormon. Es senkt den Blutzuckerspiegel, hat aber noch eine andere Wirkung: Es erhöht das Sättigungs-, senkt das Hungergefühl und verlangsamt die Magenentleerung. 2017 wurde der Wirkstoff Semaglutid in den USA und der EU zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. 2021 wurde es auch für die Behandlung von Adipositas zugelassen, als einmal wöchentlich zu verabreichende Spritze. Menschen, die sich wöchentlich Semaglutid oder täglich Liraglutid spritzen, essen nicht nur weniger, sondern auch anders. Sie berichten, dass sie seltener Heißhungerattacken hätten. Denn der Wirkstoff beeinflusse auch das Belohnungssystem im Gehirn. Nebenwirkungen wie Übelkeit und Magen-Darm-Beschwerden (Erbrechen, Verstopfung, Durchfall, Völlegefühl, Sodbrennen) sind sehr häufig bis häufig. Gleichzeitig würden die beschriebenen Nebenwirkungen in der Regel nach einigen Wochen der Einnahme abnehmen. Eine Einnahme aus Schönheitsgründen sei also keinesfalls ratsam, sagen die Ärztinnen.
In der Behandlung von Adipositas werde bald noch ein weiteres Kapitel aufgeschlagen, sagen Brix und Itariu. Neuere und teilweise effizientere Medikamente stehen kurz vor der Zulassung bzw. zeigen vielversprechende Wirkung in klinischen Studien zur Anwendung bei Menschen mit Adipositas. Es gibt allerdings auch Therapiemethoden, die schon länger vorhanden sind und deren Kosten bei entsprechender Indikation auch vom Sozialversicherungsträger bezahlt werden – bariatrische Operationen, also Magenverkleinerungen und Magenbypässe. Die Erfolgsraten für diese Operation sind hoch, es gibt gute Langzeitdaten und die OP-Methoden hätten sich sehr stark verbessert, sodass es auch zu weniger Komplikationen käme. (red)