Mit der Aussage, dass es künftig in Städten nur noch Primärversorgungszentren geben wird, polarisiert ÖGK-Obmann Andreas Huss. Aus den Bundesländern regt sich Kritik der Ärzteschaft.
„Das Gesundheitssystem braucht keinen ‚komplett Umbau‘, sondern mehr Flexibilität, um auf regionale Besonderheiten einzugehen und Ärztinnen und Ärzte als Kassenärzte zu gewinnen“, reagiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, auf die jüngsten Aussagen vom stellvertretenden ÖGK-Obmann Andreas Huss. Dieser hatte sich in einem Interview für Versorgungszentren und gegen Einzelordinationen ausgesprochen, der Landarzt, der alleine eine Ordination betreibe, würde bald – bis auf einige wenige Ausnahmen in einzelnen Tälern – der Vergangenheit angehören.
Eine optimale Patientenversorgung sieht für den ÖÄK-Präsidenten anders aus: „Alles über einen Kamm zu scheren, die Einzelordinationen abschaffen zu wollen und alle – nämlich Ärzte und Patienten – in Versorgungszentren zu zwingen, das wird nicht aufgehen“, sagt er. Auch die Umsetzbarkeit sei zweifelhaft, denn bereits jetzt gebe es Probleme, genügend Ärzt:innen zu finden, die gemeinsam eine Primärversorgungseinheit gründen. „Das Problem ist, dass die Kassenverträge zu unflexibel sind, und solange sich das nicht ändert, hilft es auch nicht, statt Einzelordinationen Zentren aufstellen zu wollen“, sagt Steinhart. Vielmehr müsse auf die Bedürfnisse aller, nämlich sowohl der Ärzt:innen, als auch der Patient:innen, eingegangen werden. „In manchen Regionen sind Zentren sinnvoll, in anderen ist der Landarzt weiterhin wichtig und richtig“, sagt Steinhart. Gerade in einer alternden Bevölkerung müsse die wohnortnahe Versorgung sichergestellt sein. Der Schlüssel für eine optimale Patientenversorgung sei das Nebeneinander von verschiedenen Angeboten: Versorgungszentren, Einzelordinationen, Gruppenpraxen, aber auch der Ausbau von Ärztenetzwerken.
Kritik kommt auch aus Niederösterreich: Max Wudy, Vizepräsident der NÖ-Ärztekammer reagiert mit einem Offenen Brief an Huss. Die Forderung nach zusätzlichen 500 Kassenarztstellen sei eine langjährige Forderung der Ärztekammer, reiche aber nicht aus. Erschreckend sei die Zentralisierung der Allgemeinmedizin. Vor allem die Betreuung von zumeist polymorbiden Patient:innen sollte im Vordergrund der Primärversorgung stehen. Es gäbe im gesamten OECD-Raum kein einziges Land, welches pro Einwohner:in mehr Mediziner:innen als Österreich ausbildet. „Allerdings gibt es auch nur wenige Länder, in denen so wenige Ärzt:innen als niedergelassene Allgemeinmediziner:innen im öffentlich solidarischen Gesundheitssystem arbeiten.
„Genauso wie in den öffentlichen Spitälern gibt es auch in der Kassenmedizin nicht genug Ärztinnen und Ärzte“, sagt der Präsident der Ärztekammer Steiermark, Michael Sacherer. Gerade deswegen müsse die ÖGK darauf achten, „gegenüber den Partnern Wertschätzung zu zeigen, statt sie zu beleidigen und deren hohes Engagement in Zweifel zu ziehen“. Angesichts von 8,6 Millionen Ordinationen, die allein die steirischen Kassenärzt:innen im Vorjahr erbracht haben, die Arbeitsmoral der jungen Ärzt:innen in Frage zu stellen, wie es Huss mache, sei völlig bizarr, ergänzte der Obmann der niedergelassenen Ärzt:innen, Vizepräsident Dietmar Bayer. In größeren Gemeinden, etwa Bezirkshauptstädten, würden viele Ärzt:innen gerne in der Gruppenstruktur einer Primärversorgungseinheit zusammenarbeiten. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es etwa in der Steiermark nur 35 Stadtgemeinden gibt, aber allein an die 600 niedergelassen Ärzt:innen für Allgemeinmedizin mit ÖGK-Vertrag. Daher seien Einzelordinationen kein Auslaufmodell, „sondern das Rückgrat der ärztlichen Grundversorgung“, sagten Sacherer und Bayer. (rüm)