Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) haben ein neues Positionspapier vorgelegt: Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus treten oft gemeinsam auf, beeinflussen sich gegenseitig und müssen auch bei der Therapie mitgedacht werden.
„Bei Menschen mit Diabetes ist auf die Herzgesundheit ein besonderes Augenmerk zu legen. Die Betroffenen selbst haben oft mehr Angst vor anderen, möglichen Folgeerkrankungen des Diabetes, die augenscheinlicher sind, wie Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen. Sehr häufig folgen aber auch Erkrankungen des Herzkreislaufsystems auf einen nicht erkannten oder nicht optimal behandelten Diabetes. Besonders sticht der enge Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz ins Auge. Die Prävalenz von Prädiabetes und Diabetes mellitus ist unter Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz sehr hoch, andererseits ist die chronische Herzinsuffizienz eine potentielle Folgeerkrankung eines Diabetes mellitus“, sagt Susanne Kaser, Stv. Direktorin der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG).
Mit einem neu erschienenen Positionspapier möchte die ÖDG gemeinsam mit der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) einen Beitrag zur Bewusstseinssteigerung hinsichtlich des Vorliegens dieses engen Zusammenhangs leisten. Tenor: Alle, die an einer der beiden Erkrankungen leiden, sollten auch ihr persönliches Risiko für die jeweils andere beachten und beobachten. In der Früherkennung wie in der Behandlung sei hier ärztliches Engagement und interdisziplinäres Denken von besonderer Bedeutung.
„Die Herzinsuffizienz ist viel zu wenig bekannt. Viele hören den Begriff erst bei der eigenen Diagnose zum ersten Mal. Und dabei wächst das Problem von Tag zu Tag. In einer immer älter werdenden Gesellschaft steigt die Inzidenz der Herzinsuffizienz automatisch an. Bei der Herzinsuffizienz ist der Herzmuskel, bedingt durch unterschiedliche Erkrankungen, geschwächt. Dadurch kommt es nicht nur zu Erschöpfungs- und Atemnotzuständen, in manchen Fällen kann diese Erkrankung auch fortschreiten und eine direkten Bedrohung des Lebens darstellen“, erklärt Kurt Huber, Leiter 3. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie an der Klinik Ottakring, Professor für interventionelle und Akut-Kardiologie sowie Vize-Dekan für Forschung an der Medizinischen Fakultät der Sigmund Freud Privat-Universität (SFU MED) und Mitautor des Positionspapiers.
Weltweit betrifft Diabetes mellitus knapp 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, wobei über 90 Prozent der Fälle dem Typ-2-Diabetes zuzuschreiben sind, während die Häufigkeit einer Herzinsuffizienz bei Erwachsenen mit ca. 2 Prozent angegeben wird. Bei über 65-Jährigen steigt die Herzinsuffizienzhäufigkeit auf 12 Prozent an. Bei Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz weist fast die Hälfte der Betroffenen auch einen Typ-2-Diabetes auf. Rechnet man auch Prädiabetes dazu, hat der Großteil der Patienten mit Herzinsuffizienz eine Zuckerstoffwechselstörung oder zumindest eine Insulinresistenz. Umgekehrt konnte eine Herzinsuffizienz in 10 bis 20 Prozent bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nachgewiesen werden.
Die gegenseitige Beeinflussung der beiden Erkrankungen lässt sich auf zellulärer Ebene beobachten. Herzinsuffizienz provoziert eine diabetogene Stoffwechsellage die Insulinresistenz fördert und Diabetes greift zusätzlich in die Myokardfunktion ein. Auf diesem Weg addieren sich die beiden Erkrankungen gegenseitig. Auch die Fibrosebildung, ein fundamentaler Prozess der Herzinsuffizienz, wird von Diabetes beeinflusst. Die gestörte Kalziumwiederaufnahme ist ebenfalls ein Aspekt, den beide Erkrankungen gemeinsam haben. Zusätzlich haben auch beide Erkrankungen Auswirkungen auf die Nierenfunktion. „Menschen mit Diabetes, aber ebenso Menschen mit einer Herzinsuffizienz, sollten die Risikofaktoren für die jeweils andere Erkrankung regelmäßig überprüfen lassen“, betont Harald Sourij, Stv. Abteilungsleiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Universität Graz und Erster Sekretär der ÖDG. „Durch den engen Zusammenhang zwischen Glukosestoffwechselstörung und Herzinsuffizienz ist ein Screening in beide Richtungen doppelt sinnvoll und wichtig“, sagt Kaser. Das Positionspapier empfiehlt HbA1c- und Nüchternglukose-Tests bei Patienten mit Herzinsuffizienz und umgekehrt ein Herzinsuffizienz-Screening mittels Labortest bei Patienten mit Diabetes mellitus. (red)