Die niedergelassenen Ordinationen hatten zum Höhepunkt des Corona-Lockdowns im Frühjahr nahezu durchgehend geöffnet. Das bestätigt nun die ÖGK gegenüber RELATUS MED. Offen ist nach wie vor die Entschädigung für Honorareinbußen.
Die Frage, ob und wie viele niedergelassenen Ordinationen während des Lockdowns geöffnet hatten, beschäftigt seit Monaten die Politik. Die Ärztekammer pocht darauf, dass die Ordinationen erreichbar waren, dass aber die Politik den Patienten empfohlen habe, diese eher zu meiden. Das habe bei einzelnen Ärzten zu kräftigen Honorarrückgängen geführt, kritisiert Ärztekammervizepräsident Johannes Steinhart. Er fordert deshalb auch eine Entschädigung, wie sie auch andere Berufe und Unternehmen erhalten, die coronabedingt Umsatzrückgänge haben. Das Problem: die Gesundheitskasse kann das rechtlich nicht machen, und im Bund bremst das Finanzministerium.
Nun bestätigt allerdings Franz Kiesl, zuständiger ÖGK-Fachbereichsleiter für „Versorgungsmanagement 1“, zu dem die Ärzte gehören, im RELATUS MED-Gespräch, dass die niedergelassenen Ärzte mehrheitlich geöffnet hatten. „Die Frage ist natürlich, was eine geöffnete Ordination ist. Wir haben bei unserer Analyse jene als geschlossen betrachtet, bei denen im Laufe eines Tages weder eine E-Card noch die O-Card gesteckt worden ist.“ Das Ergebnis dieser Auswertung laut Kiesl: Zwischen der 9. und der 38. Kalenderwoche waren die Allgemeinmediziner im Vergleich zum Vorjahr praktisch durchgehend anwesend. Die niedergelassenen Fachärzte hatten je nach Woche zwischen 85 und 100 Prozent geöffnet, „wobei als geschlossen auch jene gezählt werden, die aus behördlichen Gründen – wie einem Coronafall – geschlossen waren“.
Die Patienten nutzten dieses Angebot offenbar ganz unterschiedlich – auch mehrheitlich. Kiesl: „Im zweiten Quartal gab es gemessen an den Fällen bei den Allgemeinmedizinern ein Minus von 16 Prozent, bei den Fachärzten von 19 und bei den technischen Fächern um 20 Prozent – gerechnet ohne Vorsorgeuntersuchungen und Untersuchungen zum Mutter-Kind-Pass.“ Das, was man „landläufig hört“, nämlich, dass die niedergelassenen Ärzte zugesperrt hätten, stimme so also nicht, sagt Kiesl. Nachsatz: „Das mit den Honorareinbußen stimmt aber so auch nicht: Die Honorare sind nämlich weniger zurückgegangen als die Fälle, weil die Fallwerte gestiegen sind.“ Insgesamt lagen die Honorarrückgänge im zweiten Quartal bei etwa 12 Prozent, so der ÖGK-Experte.
Steinhart will das so nicht stehen lassen. Es freue ihn, dass die ÖGK bestätige, dass die Ärzte offen hatten, es gebe aber je nach Arzt zum Teil enorme Honorarrückgänge. „Es gab sicher welche, die auch gut gelaufen sind, weil sie Patienten von geschlossenen Spitalsambulanzen abgefangen haben. Es gibt aber auch ganz dramatische Rückgänge, wo es zu massivsten Einbrüchen gekommen ist, wo die Kollegen und Kolleginnen aber zur Verfügung gestanden sind, um Patienten zu versorgen.“ Steinhart fordert deshalb weiterhin Entschädigungen für die Verluste. Er fürchtet, dass bei einem Anhalten der Debatte Ordinationen im Herbst verstärkt zusperren. „Wir werden jede Ordination brauchen“, sagt Steinhart. Kiesl signalisiert hier in jedem Fall Unterstützung: „Wir tun alles und haben auch alles getan, um die Ärzte in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Wir möchten auch unsere Wertschätzung ausdrücken, denn die Ärzte, die draußen an der Front stehen und tagtäglich mit praktischen Versorgungsthemen kämpfen, machen das sehr gut.“ Mit den Möglichkeiten der Telemedizin, dem elektronischen Rezept, der Akontierung von Honoraren, der Organisation von Schutzausrüstung, „was eigentlich nicht unseren Bereich fällt“, und der Aufhebung von Limitierungen oder dem Aussetzen von Bewilligungen habe man getan, was möglich war. „Man darf nicht vergessen, dass hinter jeder Maßnahme auch Prozesse und Systeme umgestellt werden müssen.“ Rechtlich habe man aber keine Möglichkeit für Ausgleichzahlungen aufgrund reduzierter Leistungen, „wir verstehen aber das Argument der Ärzte, und wir unterstützen auch die Wünsche der Ärzte gegenüber dem Bund“. (rüm)