Das dritte Rezessionsjahr in Folge treibt die Budgets von Bund, Ländern, Kommunen und bei den Kassen ins Minus. Die fordern jetzt einen Solidaritätsbeitrag der Ärzteschaft. Dieses reagiert mit Kritik am ÖGK-Management.
900 Millionen Defizit und ein Sparplan von 500 Millionen. In der ÖGK gehen nach der Ankündigung von Kassenobmann Peter McDonald die Wogen hoch. In einem APA-Interview legte der Arbeitgebervertreter der ÖVP nach und forderte am Montag für heuer und kommendes Jahr einen Solidarbeitrag von Ärzte:innen. Auch die Länder sollen zuzahlen. „Für uns ist die Frage in der Österreichischen Gesundheitskasse, wie wir die Spitzenmedizin auf e-Card für jeden in Österreich lebenden Menschen auf die nächsten Jahrzehnte absichern“, sagte er: „Und wir haben natürlich eine finanzielle Schieflage, die wir nicht ignorieren können und auch nicht ignorieren wollen.“
Die Rezession sorge für mehr Arbeitslosigkeit und dadurch geringere Beitragseinnahmen. Dazu komme der medizinische Fortschritt, die Alterung samt mehr Arztbesuchen (plus 15 Prozent in den letzten fünf Jahren) und der Trend zu ambulanten Leistungen, für die die Kasse finanziell zuständig ist. Das Problem bei all dem sei die Rezession, so McDonald. Die Prognosen zeigten, dass richtiges Wirtschaftswachstum wohl erst 2027 wieder zu erwarten sei. Die Konsequenz: 2025 und 2026 seien Jahre, „wo alle einen Beitrag leisten werden müssen“.
Die ÖGK will dafür in der Verwaltung sparen, aber weil diese nur zwei Prozent der Kassenausgaben ausmachen, reiche das nicht aus. Deshalb will McDonald mit den Ärzten und anderen Vertragspartnern in Dialog treten. Es gehe um „medizinisch nicht indizierte Leistungen“ wie Doppeluntersuchungen bei CT und MR, aber auch Krankentransporte. Zudem will der ÖGK-Obmann über eine bessere Patientensteuerung durch attraktivere ambulante Angebote und Telemedizin diskutieren.
Die Ärztekammer reagiert alarmiert und schießt sich auf das Management ein. Noch im Februar 2024 habe die ÖGK „dank des Finanzausgleichs“ einen Gewinn von 58 Millionen Euro in Aussicht gestellt, nun drohe ein Milliardenloch: „Langfristige Planbarkeit und gutes Wirtschaften sind unerlässlich, vor allem wenn es um die Gesundheit der Bevölkerung geht. Ein derartiges Managementversagen wäre in der Privatwirtschaft undenkbar und ist völlig fahrlässig“, kritisierte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Seit Jahren schafft es die ÖGK nicht, aus der Kassenfusion nennenswerte Synergieeffekte oder Effizienzsteigerungen zu generieren. In der Privatwirtschaft hätte ein solches Management-Versagen harte personelle Konsequenzen“, betont auch Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzt:innen. Zuerst solle die ÖGK ihr Finanzloch intern kritisch aufarbeiten und endlich Maßnahmen daraus ableiten, sagte Wutscher und betonte: „Die ÖGK-Misswirtschaft kann man jedenfalls nicht den Ärztinnen und Ärzte anlasten. Nur 15 Prozent der ÖGK-Gesamtausgaben entfallen auf ärztliche Leistungen.“
„Diese Situation hat die ÖGK ganz allein zu verantworten und muss daher dieses Problem auch zuallererst alleine lösen. Es kann daher nicht sein, dass man fast reflexartig die Ärztinnen und Ärzte sprichwörtlich zur Kasse bittet und über die Medien einen Ärzte-Beitrag für den eigenen Pfusch einfordert“, sagt auch Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. „Wer in seinem eigenen Haus die Finanzen nicht im Griff hat, der darf nicht nur um Hilfe rufen und Unschuldige mit hineinziehen. Der muss zuerst einmal beginnen, vor der eigenen Türe zu kehren.“
Zu dem von McDonald geforderten „Solidarbeitrag“ seitens der Ärzteschaft meint Wutscher: „Dem ÖGK-Obmann scheint nicht bewusst zu sein, dass wir Ärztinnen und Ärzte schon seit Jahren tagtäglich einen Solidarbeitrag leisten, indem wir mit höchstem persönlichem Einsatz die Folgen der verheerenden Kostendämpfungspfade bei gleichzeitig wachsender Bevölkerung abfedern – damit die Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht leidet. Ein Solidarbeitrag würde erst recht zu Lasten der Patientinnen und Patienten gehen, wenn das Kassensystem noch unattraktiver gemacht wird.“ Die Ärzteschaft leiste sowohl in der Niederlassung als auch im Spital jeden Tag einen großen Solidarbeitrag, der etwa im kassenärztlichen Bereich die Versäumnisse der Gesundheitskasse mit Mehrarbeit abdeckt, erklärt Niedermoser: „Denn alleine in Oberösterreich sind aufgrund von Versäumnissen der Kasse 55 Stellen unbesetzt, diese Lücke müssen die Kolleginnen und Kollegen tagtäglich schließen. Nun noch mehr einzufordern, das grenzt beinahe schon an Unverfrorenheit.“
Um das solidarische Gesundheitssystem langfristig zu erhalten, müssten Ärzt:innen im System gehalten und für das System gewonnen werden, betont Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzt:innen in der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien. „In Wien ist die Anzahl der Kassenärzt:innen seit 2012 um 11 Prozent gesunken, während die Einwohnerzahl im gleichen Zeitraum um 16 Prozent gewachsen ist. Zudem sind unzählige Kassenstellen unbesetzt oder noch immer nicht in der Versorgung. Das kann sich rein rechnerisch gar nicht mehr ausgehen und war seit Langem absehbar.“
Der Stil der ÖGK sei keinesfalls partnerschaftlich. Zuerst verschleppt sie die Honorarverhandlungen über Monate und dann kommt plötzlich die Forderung nach einer „Solidarabgabe“ über die Medien an die Ärzteschaft, kritisiert erklärt auch der Präsident der Kärntner Ärztekammer, Markus Opriessnig. „Die ÖGK hat uns im Vorjahr einen Teil der Rekordinflation nur bedingt zuerkannt. Diese sollte 2025 gänzlich in einen neuen Vertrag übernommen werden. Jetzt wackeln diese Erhöhungen und dazu kämen noch fehlende Anpassungen an die Teuerungsraten für die Jahre 2025 und 2026.“ (rüm)