Umfrage der Woche: Gesundheit im EU-Fokus?
Die EU-Wahl rückt näher und auch das Thema Gesundheit ist mittlerweile aus dem europäischen Kontext längst nicht mehr wegzudenken. Relatus MED hat die Spitzenkandidat:innen der Parteien zu den drängensten Herausforderungen befragt.
Der Medikamentenmangel in den heimischen Ordinationen ist mittlerweile Dauerthema. Lassen sich Medikamentenengpässe und Abhängigkeiten bei der Produktion von Arzneimitteln besser nationalstaatlich lösen, oder auf EU-Ebene? Wie in vielen Fragen, ist es auch hier wichtig, dass wir gemeinsam auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. Als Europäische Union müssen wir bei den großen Fragen wie der Versorgung mit Medikamenten zusammenhelfen. Vor allem Österreich als kleineres Land kann hier von einer starken EU profitieren, denn gemeinsam hat man mehr Stärke auf dem Weltmarkt. Der gemeinsame Binnenmarkt ist eine der größten Errungenschaften und Chancen der EU, das müssen wir auch bei der Arzneimittelversorgung zu unserem Vorteil nutzen.
Welche drei Initiativen bräuchte es auf EU-Ebene zur Lösung der anhaltenden Lieferengpässe? Es muss eine Priorität sein, die Produktion von Medikamenten, vor allem von essentiellen Medikamenten, in Europa zu fördern und den bestehenden Unternehmen gute Bedingungen zum Erhalt ihrer Produktion in Europa sichern zu können. Außerdem ist die verstärkte Zusammenarbeit europaweit notwendig, besonders bei Gesundheitskrisen. Und es braucht Partnerschaften mit verlässlichen und gleichgesinnten Drittstaaten.
Apropos Gesundheitskrisen: Ist die EU nach der COVID-Pandemie auf eine nächste derartige Herausforderung vorbereitet? Die COVID-19-Krise hat gezeigt, dass Krankheiten nicht an Grenzen haltmachen. In dieser Legislaturperiode haben wir daher europäische Maßnahmenpakete verabschiedet, die die Koordination bei grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) stärken. Im Krisenfall könnte ein gemeinsamer Einkauf von benötigten Medizin- und Gesundheitsprodukten die Rolle Europas in der Welt stärken. Die Pandemie hat gezeigt, wie hilfreich eine grenzübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen sein kann. Darum soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das benötigte medizinische Personal ins Ausland reisen kann, um Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen.
In ganz Europa fehlt aktuell Gesundheitspersonal. Welche europäischen Initiativen zur Problemlösung sehen Sie? Das ist natürlich ein Problem, das wir in einigen Branchen sehen. Eine wichtige Maßnahme dafür ist, die Aus- und Weiterbildung europaweit zu forcieren. Die schnellere Anerkennung ausländischer Qualifikationen in Österreich und der EU spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle beim Gewinn von zusätzlichem Gesundheitspersonal. Hier gibt es auch mit anderen EU-Ländern noch Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu verstärken.
Welche Folgen erwarten Sie durch die Einführung des „European Health Data Space“ Die neuen Regeln sind grundsätzlich wichtig für die Behandlung von Patientinnen und Patienten im EU-Ausland. Bei Reisen können medizinische Daten, wie frühere Krankheiten oder Allergien, schnell weitergegeben und abgerufen werden. Das Gesetz sieht vor, dass Patientinnen und Patienten weiterhin die Kontrolle über ihre persönlichen Daten haben.
Gesundheit fällt innerhalb der EU nach wie vor in nationale Zuständigkeiten. Sollte sich das ändern? Die Europäische Union beruht auf dem Prinzip der Subsidiarität, das sicherstellt, dass Probleme dort angegangen werden sollen, wo sie auch am besten gelöst werden können, und das soll auch weitgehend so bleiben. Die Gesundheitssysteme in den Mitgliedsstaaten sind oftmals sehr unterschiedlich, sie sollen bestmöglich national geregelt werden. Aber bei Gesundheitskrisen wie der COVID-Pandemie haben wir gesehen, dass wir darauf gemeinsam reagieren müssen.
Soll es europäische Steuern geben, um soziale Systeme abzusichern? Gesundheit ist nach wie vor eine nationale Zuständigkeit und europaweit gibt es eine Vielfalt an verschiedenen Gesundheitssystemen, das müssen wir weiterhin berücksichtigen. Wir sprechen uns prinzipiell gegen neue Abgaben an die Union aus. (Das Interview führte Evelyn Holley-Spiess)