Im Gesundheitsausschuss des Parlaments wurde am Dienstag eine Novelle des Ärztegesetzes beschlossen. Sie war nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshof notwendig geworden. Neugeregelt werden die Kompetenzen der Ärztekammer. Das sorgt für heftige Debatten.
Begonnen hat die Geschichte mit der Streichung eines Wiener Arztes aus der Ärzteliste nachdem dieser am Eingang seiner Ordination kundgetan hatte, keine Flüchtlinge behandeln zu wollen. Der Mann klagte gegen die Streichungsmodalitäten und erhielt vor dem VfGH im Vorjahr Recht. Bis Ende August muss das Ärztegesetz entsprechend geändert werden. Ein von ÖVP und Grünen eingebrachter Entwurf auf Änderung des Ärztegesetzes wurde am Dienstag der mehrheitlich – ohne die Stimmen der NEOS – angenommen. Der VfGH erachtete es vor allem als unzulässig, die Ärztekammern in den Bundesländern mit der Führung der Ärzteliste zu betrauen, da sie Körperschaften öffentlichen Rechts im Rahmen der Landesvollziehung, jedoch keine dem Landeshauptmann unterstellten Landesbehörden sind.
Was technisch klingt hat weitreichende Folgen. In der Novelle festgeschrieben wird, dass die Österreichische Ärztekammer aus Gründen des Patientenschutzes, der Qualitätssicherung und der Transparenz eine Website einzurichten hat, in der ein Teil der für die Führung der Ärzteliste erforderlichen Daten öffentlich ist und in die jede Person Einsicht nehmen kann. Die Ärzteliste-Verordnung soll künftig wieder der Gesundheitsminister selbst erlassen, um eine bestmögliche Steuerung durch die oberste Verwaltungsbehörde sicherzustellen. Praktisch bedeutet das, dass der Minister fixiert unter welchen Kriterien Ärzte auf die Liste kommen und von dieser gestrichen werden, können. Er beauftragt dann mittels Durchführungsverordnung die ÖÄK mit der Umsetzung.
Die Ärztekammer sieht darin eine „Beschneidung der ärztlichen Selbstverwaltung“ und zeigt sich entsetzt. „Die Ärzteschaft soll offenbar an die Kandare genommen werden“, kritisiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Nachdem man in den bisherigen Verhandlungen gar nicht auf unsere Argumente eingegangen ist, will der Gesundheitsminister nun die Selbstverwaltung der Ärzteschaft ausdünnen.“ Es sei einfach unverständlich, dass der Standesvertretung ohne Anlass Kompetenzen weggenommen werden, die sie jahrelang mit größtem Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein sowie höchster Qualität ausgeübt hat, sagt Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Der Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich, Christoph Reisner, sieht in der Änderung einen „Affront gegenüber der Ärztekammer und allen von ihr vertretenen Ärztinnen und Ärzten“. Es würde der Österreichischen Ärztekammer verboten werden, mit den Landesärztekammern in den Bundesländern bei der Führung der Ärzteliste zusammenzuarbeiten. Damit würden die Ärztinnen und Ärzte ihre niederschwelligen Ansprechpartner in den Bundesländern verlieren, kritisiert Reisner die geplante Novelle. Für Szekeres geht es auch um die Genehmigung von Ausbildungsstellen, Erweiterungen der Arbeitszeit aber auch um die Administration von Kammerwahlen und des Wohlfahrtsfonds, erklärt er im RELATUS-Gespräch.
„Es ist nicht einzusehen, warum man davon absieht, das entsprechende Gesetz dauerhaft zu reparieren. Schließlich wurde es nur aufgrund eines Formfehlers, der vor Jahrzehnten geschehen ist, vom Verfassungsgerichtshof gekippt“, sagt Szekeres. Genau das haben die Regierungsfraktionen allerdings vor und haben auch einen – mehrheitlich angenommenen – Entschließungsantrag eingebracht, in dem der Gesundheitsminister ersucht wird, bis spätestens 30. Juni 2021 eine datenschutzkonforme Regelung vorzulegen, die sich auf den Zugang von entsprechend zu definierenden Daten aus der Ärzteliste und der Ausbildungsstellenverwaltung der Österreichischen Ärztekammer bezieht. Da den Landesgesundheitsfonds die Kompetenz zur integrativen und sektorenübergreifen Planung, Steuerung und Finanzierung übertragen wurden, müssten sie über ausreichende „Daten zur Gesamt-Ressourcen-Situation im ärztlichen Bereich“ verfügen, argumentiert die Regierung. Aufgrund des VfGH-Erkenntnisses musste rasch ein Kompromiss, der vorerst ein Jahr lang gelten wird, gesucht werden, sagte ÖVP-Abgeordneter Josef Smolle am Dienstag und der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner zeigt sich ober der Kritik der Ärzte verwundert: „Dass es ein öffentlich einsehbares Register braucht, ist nicht neu. Letztlich muss jeder Patient nachsehen können, wer ein Arzt ist und wer nicht.“ Der VfGH habe die Änderung verlangt und das sei von allen Seiten zu akzeptieren. Nachsatz: „Wir haben im Entschliessungsantrag fixiert, dass wir das nachbessern wollen und können. Die Ärztekammer ist eingeladen sich einzubringen. Die Türe ist offen.“ Man müsse aber gute Argumente bringen – zum alten System zurückzukehren sei aufgrund des VfGH-Urteils aber nicht möglich, stellt Schallmeiner klar. (rüm)