Die Ärztekammer warnt erneut vor Kollateralschäden durch das Aufschieben notwendiger Untersuchungen. Kritik gibt es an einem Erlass zu Änderungen der Arbeitszeit, der erlaubt, dass Impfpersonal länger arbeitet.
Trotz „Osterruhe“ und vielfacher Einschränkungen im öffentlichen Leben sind die Ordinationen in Österreich sowohl in der Karwoche als auch danach uneingeschränkt geöffnet. Darauf weist Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, hin. Er plädiert dafür, anstehende Arztbesuche nicht unnötig zu verschieben. Nur so könnten medizinische Kollateralschäden der Pandemie verhindert werden. Umfangreiche Hygienemaßnahmen machten die Ordinationen zu einem sicheren Ort, sagt er.
Das Arbeitsministerium hat indes per Erlass geregelt, dass das für die Impfungen unerlässliche Krankenhauspersonal sowie Beschäftigte in der Impfstofflieferung ab sofort auch außerhalb der gesetzlich geregelten Arbeitszeiten arbeiten können. Die Arbeitsruhe dürfe unterschritten und die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten werden. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hofft dadurch auf mehr Tempo im Kampf gegen die Corona-Pandemie: Durch mehr verfügbares Personal solle eine schnellere Impfung der Bevölkerung ermöglicht werden. Im Erlass gibt es eine Ausnahme: In Krankenanstalten darf die durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden nur mit schriftlicher Zustimmung der betroffenen Person überschritten werden. Außerdem gilt die Sonderregelung nur während der ersten Durchimpfungsphase, also bis alle impfwilligen Personen die erste und die zweite Teilimpfung erhalten haben.
Kritik kommt dazu von der Ärztekammer: „Für die kleine Menge an Impfstoff, die es derzeit gibt, reichen auch die bisherigen Arbeitszeitregeln“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Die Änderungen der Arbeitszeitregeln, die die Unterschreitung der Arbeitsruhe und die Überschreitung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit ermöglicht, seien daher „reiner Aktionismus“, sagt Mayer. Wieder einmal zeige sich: Anstatt die Probleme bei der Wurzel zu packen, beschränke man sich auf die Verwaltung der Mängel. „Wir sehen seit Langem dasselbe Schema beim Spitalspersonal: Statt Ausbildung und Arbeitsbedingungen attraktiver und hochwertiger zu gestalten, überlegt man lieber mit Änderungen am Arbeitszeitgesetz beschleunigten Raubbau an den schwindenden Ressourcen“, sagt Mayer. Das räche sich derzeit an der Situation auf den Intensivstationen. „Betten kann man schnell aufstellen, doch ohne passendes und gut ausgebildetes Personal bringt das gar nichts.“ Sowohl beim Personal als auch beim Problem der Impfstoffknappheit müsse endlich einmal Ursachenbehebung betrieben werden, fordert der ÖÄK-Vizepräsident. „Durch eigenes Verschulden der Verantwortlichen haben wir jetzt zu wenig Impfstoffe.“ (rüm/APA)