Ein Streit über die Veranlagung von Rücklagen im Dachverband der Sozialversicherungen hat zum Ausscheiden des dortigen Spitzenmanagers geführt.
Paukenschlag im Dachverband der Sozialversicherungen: Am Mittwoch wurde der Büroleiter, Martin Brunninger, in der Trägerkonferenz einstimmig suspendiert, am Donnerstag gab er über seine Anwältin seinen Rücktritt bekannt und hat sein Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Er spricht von „unqualifizierten Interventionen und grotesken Vorwürfen gegen ihn und andere unabhängige, leistungsstarke Mitarbeiter aus dem Büro des Dachverbands.“ Über die Hintergründe gibt es somit wenig überraschend zwei unterschiedliche Darstellungen.
Der Vorwurf der Trägerkonferenz lautet, dass Brunninger sich bei der Veranlagung von Geldern zur Liquiditätsabsicherung nicht an die vorgeschriebenen Vorgaben gehalten habe. „Wir mussten diesen Schritt setzen, da der Verdacht besteht, dass der Büroleiter seine Dienstpflichten verletzt hat – eine Prüfung wurde bereits eingeleitet“, erklärten die Dachverbands-Vorsitzenden Ingrid Reischl und Peter Lehner am Donnerstag in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Aufgaben des Büroleiters übernimmt sein Stellvertreter Alexander Burz. „Nachdem uns die Vorwürfe einer regelwidrigen Finanzveranlagung bekannt geworden sind, haben wir sofort eine umfassende Bewertung der Vorwürfe eingeleitet. Wir prüfen aufsichtsrechtliche Schritte ebenso wie die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe und werden danach entsprechende Schritte einleiten“, teilte das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde am Donnerstag der „Wiener Zeitung“ mit.
Warum geht es genau? Die Konferenz hat nach Angaben von Reischl und Lehner Anfang Juli erste Hinweise erhalten, dass „die Veranlagung der Gelder zur Liquiditätsabsicherung durch den Büroleiter nicht nach den vorgeschriebenen Vorgaben und Abläufen erfolgte“. Die Selbstverwaltung habe umgehend reagiert, eine interne Revision gestartet und einen unabhängigen Experten mit einem Gutachten beauftragt. „Wir gehen hier aktiv, transparent und professionell vor“, bekräftigen Reischl und Lehner. Als nächsten Schritt werden die Gutachten eingehend geprüft. „Den nunmehr vorliegenden Austritt von Herrn Brunninger nehmen wir zur Kenntnis, er ändert aber nichts daran, dass die Prüfungen zu Ende geführt werden“, so die Vorsitzenden am Donnerstagvormittag in einer Aussendung.
Laut eigener Darstellung des Dachverbandes gehören zu den Aufgaben der Büroleitung unter anderem „laufende Verwaltungsgeschäfte bis zu einem Schwellenwert (für das Jahr 2019: 216.000 Euro)“ sowie die „Verwaltung der Finanzen des Dachverbandes und der Fonds im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Konferenz und dessen StellvertreterIn.“ Ob Brunniger das getan hat oder nicht, ist nun Kern des Konflikts. Da die Gelder – die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag – in Fonds mit öffentlichen Anleihen angelegt worden sein sollen, sei das Risiko von Verlusten gering, heißt es laut RELATUS-Recherchen, allerdings soll die aktuelle wirtschaftliche Lage den Wert derzeit schmälern.
Brunningers Anwältin Katharina Körber-Risak sieht das anders: „Offenbar soll unserem Mandanten nunmehr zum Vorwurf gemacht werden, dass er eine Änderung in der Veranlagungsstrategie aufgrund sonst zu zahlender, substantieller Verwahrungsentgelte (‚Strafzinsen‘) vorgenommen hat. Dadurch wurde nicht nur ein drohender finanzieller Schaden abgewendet, sondern risikolos ein Ertrag für die Versicherten erzielt. Zu keinem Zeitpunkt wurden Verluste realisiert oder gar in irgendeiner Form mit Geldern der Versicherten spekuliert. Die Banken wurden dazu verpflichtet, im Rahmen der geltenden ASVG-Veranlagungskriterien zu agieren und haben dies auch eingehalten. Martin Brunninger hat sich stets strikt an alle gesetzlichen Vorgaben gehalten, insbesondere in Bezug auf die finanzielle Gebarung des Dachverbandes. Auch waren alle Gremien laufend über die Tätigkeiten der Büroleitung informiert“, heißt es in der Stellungnahme.
Brunninger war 2019 im Zuge der Kassenreform zum Büroleiter und Nachfolger des SP-nahen Josef Probst bestellt worden, Burz auf einem der ÖVP. Brunningers Anwältin betonte in der Aussendung dessen politische Unabhängigkeit und sieht hier auch die Ursachen für den Konflikt: Als „unabhängiger Fachmann ohne jegliche politische Seilschaften“ sei er „Ziel zahlreicher Attacken aus dem hochpolitischen Umfeld der Selbstverwaltung“ gewesen, die ihm das Arbeiten zunehmend erschwert hätten. Die nun erfolgte „grundlose Beurlaubung“ sei der vorläufige Höhepunkt dieses Vorgehens. „Dieses augenscheinliche Ablenkungsmanöver wirft kein gutes Licht auf die zuletzt wieder in Kritik geratene Selbstverwaltung.“ Brunninger sei es unter diesen Voraussetzungen unzumutbar, das Dienstverhältnis als Büroleiter weiter aufrecht zu erhalten. Der Kassenmanager ist ausgebildeter Biochemiker und Gesundheitsökonom und zudem langjähriger Investmentbanker, der nahezu seine gesamte berufliche Karriere im englischsprachigen Ausland verbracht hat. Unter anderem arbeitete er vor seiner Rückkehr nach Österreich für J.P.Morgan und Lehman Brothers. (rüm/APA)