Um die Personalsituation in Wiens Spitälern zu entschärfen, fordert die Wiener Ärztekammer eine Prämie von 24.000 Euro für Gesundheitsbedienstete.
„In Wiens Spitälern herrscht ein Flächenbrand“, beurteilt Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident der Ärztekammer Wien, die aktuelle Personalsituation. Um diesen Brand „sofort“ zu löschen, fordert Ferenci deshalb eine Bleibe- und Rückkehrprämie für alle 30.000 Gesundheitsbediensteten des Wiener Gesundheitsverbundes (WiGev). Konkret sollen alle Mitarbeiter:innen in Gesundheitsberufen, die in den Wiener Spitälern arbeiten oder diese in den vergangenen fünf Jahren verlassen haben, 24.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei bekommen – wenn sie sich dazu verpflichten, in Zukunft wieder beziehungsweise weitere zwei Jahre hindurch in einem Wiener Spital zu arbeiten. Ferenci berechnet die maximalen Kosten der Bleibeprämie auf 675 Millionen Euro.
Bei der Rückkehrprämie schätzt Ferenci, dass man rund 1.000 ehemalige Mitarbeiter:innen erreichen könnte. „Wenn man sich ansieht, dass in den vergangenen drei Jahren zig Milliarden Euro an Covid-19-Förderungen – bei Weitem nicht nur an notleidende Betriebe – ausbezahlt wurden, erscheinen die 675 Millionen Euro für die viel beklatschten Heldinnen und Helden der Pandemie im Vergleich dazu wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das muss uns ein funktionierendes Gesundheitssystem wert sein“, verleiht Ferenci der Forderung der Ärztekammer Nachdruck.
Die Forderung ist Teil eines Zehn-Punkte-Plans der Wiener Ärztekammer. Die aktuelle Situation sei „eine Zumutung“, meint auch Eduardo Maldonado-González, stellvertretender Obmann der Kurie angestellte Ärzt:innen der Wiener Ärztekammer. Statistisch gesehen sei von der Anzahl der gesperrten Betten in Wien her ein ganzes Krankenhaus zu, betont er. Unter den vorgeschlagenen Maßnahmen im Plan der Wiener Ärztekammer finden sich unter anderem höhere Gehälter unter Berücksichtigung der Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste sowie Rufbereitschaften, zusätzlich die Anrechnung aller Vordienstzeiten, Zulagen für Mangelfächer sowie externe Pooldienste zur Herstellung von Dienstplansicherheit und interne Jobbörsen. Es gehe nicht nur um Ärzte, das „Hauptproblem ist der Pflegemangel“, betont Ferenci außerdem. Ziel sei es, dass das Spital für alle Menschen, die dort arbeiten, ein attraktiver Arbeitsplatz ist. Die „Zwangsfantasien“ von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), Medizin-Absolventen für eine bestimmte Zeit als Kassenärzt:innen zu verpflichten, würden rechtlich nicht halten, kritisiert er.
Die Wiener Ärztekammer habe in den vergangen zwei Monaten versucht, Gespräche mit dem WiGev zu führen, dort wurde man allerdings immer abgewiesen. Stadtrat Hacker sieht das anders: „Seit heute ist klar – es geht der Kammer nur ums Geld“, reagiert Hacker im APA-Gespräch. „Wenn man die Forderung überschlägt, reden wir (inklusive Arbeitgeber:innenbeiträgen) von Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro, nur für Wien. Wir haben aktuell im Gesundheitsverbund und den privaten Fondspitälern einen Gesamtaufwand von 2,4 Milliarden Euro für das Personal. Da würde jetzt noch eine Milliarde dazugekommen beziehungsweise vier Milliarden für ganz Österreich. Ich werde das in die Finanzausgleichsverhandlungen mit dem Bund mitnehmen und dann schauen wir, was der Finanzminister dazu sagt“, erklärt der Wiener Gesundheitsstadtrat. Zudem habe es nach einem Gespräch der Ärztekammer bei Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Februar Folgetermine gegeben. Laut Ferenci wurde die Wiener Ärztekammer nun zu einem Termin am 15. Mai eingeladen.
Im Gespräch mit ORF-Wien und auch der „Die Presse“ wünscht sich Hacker außerdem mehr Flexibilität bei der Bettenzuteilung in den Spitälern. Seiner Ansicht nach besteht das Problem unter anderem darin, dass allen Primarärzt:innen eine eigene Abteilung mit zugeordneten Betten zusteht, über die sie frei bestimmen können – diese Struktur will Hacker „aufbrechen“ und interdisziplinäre Betten schaffen. So könnte man Patient:innen in freie Betten einer anderen Abteilung verlegen, sie aber von den ursprünglichen Ärzt:innen behandeln lassen. In anderen Bundesländern gibt es das Modell schon, wobei es teils als „Chaosmodell“ bekannt ist, weil Pfleger:innen beispielsweise nur auf einer Abteilung arbeiten dürfen, wie es in der „Die Presse“ heißt. (kagr/APA)