Die Debatte über eine mögliche Wirkstoffverschreibung nimmt nach der Ankündigung einer Kampagne der Ärztekammer Fahrt auf. Ärzte und Industrie lehnen eine Aut idem-Regelung ab. ÖGK und Patientenanwalt sind dafür.
Um Pläne des Gesundheitsministeriums, wonach Ärzte ihren Patienten zukünftig nur noch Wirkstoffe verschreiben sollen und die Apotheker dann frei wählen können, in welcher Form sie ihnen diese überlassen, ist eine Diskussion entbrannt. Nachdem die Österreichische Ärztekammer an die Politik appelliert hatte, keine Wirkstoffverschreibung einzuführen, sprachen sich die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Patienten- und Pflegeanwaltschaften am Wochenende dafür aus.
„Österreich ist das letzte Land in der EU, das den ÄrztInnen uneingeschränkt erlaubt, Medikamentenmarken und nicht die benötigten Wirkstoffe für die Behandlung der PatientInnen zu verschreiben“, hielten ÖGK-ArbeitnehmerInnen-Obmann Andreas Huss und der Sprecher der Patienten- und Pflegeanwaltschaften, Gerald Bachinger, in einer gemeinsamen Presseerklärung fest. Wie in den Nachbarstaaten sollten die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte auch hierzulande nicht mehr den Handelsnamen eines Medikaments am Rezept anführen, sondern den benötigten Wirkstoffnamen nennen. Die Einwände der Pharmaindustrie und der Ärztekammer würden zur Verunsicherung und nicht zur Patientensicherheit beitragen, letztere lasse sich „scheinbar vor den Karren der Pharma-Werbung spannen“, hieß es in der Presseaussendung.
Von der Einführung einer Wirkstoffverschreibung – gepaart mit flankierenden Maßnahmen – erwartet sich die ÖGK ein Einsparpotenzial von jährlich rund 132 Millionen Euro bei Abgabe des günstigsten wirkstoffgleichen Generikums beziehungsweise Biosimilars statt des verordneten Arzneimittels, rechnet Huss vor. Vom Pharmaverband Pharmig und der Ärztekammer ins Treffen geführte Sicherheitsbedenken wies Huss als unbegründet zurück, „da einerseits die Verordnung von Generika seit Jahrzehnten international ‚state of the art‘ ist und andererseits in medizinisch begründeten Einzelfällen Ausnahmen vorgesehen sind“. Für Patientenanwalt Bachinger erhöht die Wirkstoffverschreibung sogar die Patientensicherheit, „weil die Verwechslungsgefahr bei Produkten minimiert wird.“ Zusätzlich gebe es seit Jahren einen Beschluss des Beirates für Patientensicherheit mit der Forderung nach einer Wirkstoffverschreibung. In diesem Gremium sei auch die Ärztekammer vertreten. „In den österreichischen Krankenhäusern wird seit Jahren nur noch mit Wirkstoffen gearbeitet“, gab Bachinger zu bedenken. Junge Ärzte seien daher auf eine Systemumstellung im niedergelassenen Bereich und in den Ordinationen vorbereitet.
Klar gegen eine Wirkstoffverschreibung sprach sich am Freitag der Österreichische Generikaverband (OeGV) aus, ein Zusammenschluss von elf Generika-Produzenten. Zwar seien Generika nachweislich mit ihren Originalpräparaten austauschbar. Eine Wirkstoffverschreibung hätte allerdings negative Auswirkungen auf die Therapietreue und die Arzneimittelversorgung. „Sie würde zu Lasten der Patientinnen und Patienten gehen und nur zweifelhafte Einsparungseffekte bringen“, sagte OeGV-Präsident Wolfgang Andiel in einer Medienmitteilung. (red)