1,2 Millionen Menschen in Österreich sind von einer psychischen Erkrankung betroffen. Bei der Versorgung besteht jedoch großer Aufholbedarf, kritisiert der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP).
„Psychische Erkrankungen sind leise, sie werden viel zu wenig gesehen und immer noch unterschätzt“, sagte BÖP-Präsidentin Beate Wimmer-Puchinger. Das Wissen in der Bevölkerung sei nach wie vor viel zu gering – die Scham, darüber zu sprechen aber umso größer: Schwächen zu zeigen sei nicht erlaubt in der Gesellschaft. Zu den häufigsten Ursachen für psychische Erkrankungen zählen frühe Traumatisierungen, schwere körperliche Erkrankungen, Lebens- und Beziehungskrisen, körperliche oder seelische Gewalt.
Nicht nur das Leid, auch die volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm: jährlich werden sie auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Psychische Erkrankungen sind für zwei Drittel aller Frühpensionen verantwortlich, besonders häufig sind Depressionen und Angststörungen. Der Bedarf nach besserer Versorgung bestehe, ist Wimmer-Puchinger überzeugt. Eine entsprechende Petition habe bereits mehr als 8.000 Unterzeichner. Menschen mit geringem Einkommen sind von den Versorgungslücken besonders betroffen. „Es gibt viele gut ausgebildete Psychologen und Psychologinnen, doch die Bevölkerung kann sie sich nicht leisten, weil es keine Kassenleistung ist“, sagt Andrea Birbaumer von der Gesellschaft kritischer PsychologInnen. „Psychische Erkrankungen sind die neue Armutsfalle.“
Wer es sich leisten könne, für den finde sich ein Platz, meint auch Johannes Wancata, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die anderen müssen warten: Auf einen psychiatrischen Kassenplatz heutzutage rund drei bis vier Monate. Zudem drohe ein Mangel an psychiatrischen Fachärzten, da der Verlust durch Pensionierungen nicht durch jüngere Kollegen ausgeglichen werde, so Wancata. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte bereits vor einem Anstieg psychischer Erkrankungen. Alleine bedingt durch die Arbeitswelt mit ständiger Erreichbarkeit und immer größeren Verantwortlichkeiten, steige das Risiko, sagte Birbaumer. Doch auch beispielsweise Burn-out sei nur in einem ganz bestimmten Spektrum legitimiert. (APA)