Die Gesundheitsreform der Regierung wird konkreter. Immer mehr Details werden bekannt. Ob das reicht, werden die Beschäftigten zeigen. Sie stimmen mit den Füßen ab.
Es war wohl ein unbeabsichtigter Offenbarungseid, den der Bundeskanzler am Wochenende abgelegt hat: „Wir haben zahlreiche Strukturprobleme, die seit mindestens 15 Jahren verschleppt wurden und sich nun zugespitzt haben. Das sind ernste Themen, denen wir uns widmen müssen und widmen werden. Einerseits braucht es eine große Gesundheitsreform – daran arbeitet der Gesundheitsminister. Andererseits müssen wir aber auch schnelle Schritte umsetzen, und das werden wir in den kommenden Wochen bereits tun“, erklärte Karl Nehammer (ÖVP). Er gab damit unumwunden zu, dass die ÖVP/FPÖ-Gesundheitsreformen der Jahre 2001 und 2017 (Stichwort „Patientenmilliarde“) und das Personal dafür (seit 2001 stellt die ÖVP durchgehend den Vorsitz der Sozialversicherungsführung mit Herwig Frad, Martin Gleitsmann, Erich Laminger, Hans Jörg Schelling, Peter McDonald, Ulrike Rabmer-Koller, Alexander Biach und Peter Lehner) nicht ausgereicht haben.
Jetzt also soll alles anders werden. „So wie es in den letzten 15 Jahren war, kann es nicht weitergehen“, sagt der Kanzler. Die meisten Reformstücke sind bereits bekannt, ebenso dass es mehr Geld geben wird. Doch wird das reichen? Wohl kaum. Die Probleme im Gesundheitswesen gehen tief: Einerseits fehlt der Nachwuchs – das hat auch demographische Gründe, andererseits wollen die Beschäftigten heute nicht mehr so arbeiten, wie noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Dauer- und Nachtdienste, Überstunden und Effizienzvorgaben sind bei den nachkommenden Generationen von Beschäftigten nicht mehr gefragt. Das hängt auch mit den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen. Das gesellschaftliche Versprechen, dass sich Leistung lohnt, geht nicht mehr auf. Die Explosion der Immobilienpreise der vergangenen Jahre zeigt, dass es selbst bei Vielarbeit nicht mehr möglich ist, sich ein kleines Stück Wohlstand in Form eines Eigenheimes zu erarbeiten. Also legen junge Menschen den Fokus auf andere Dinge, wie Lebensqualität und Freizeit. Parallel signalisiert Europa mit der neuen Ayslpolitik, dass man kein Zuwanderungskontinent sein will. Wirtschaft und Gesundheitsbereich fordern aber genau das: Zuwanderung. Etwa in der Pflege. Doch Populismus und Pragmatismus stehen sich im Weg. Immer.
Das Gesundheitspersonal wird über die Reformen mit den Füßen abstimmen. Mehr Geld, mehr Kassenstellen und Verschiebungen der Patient:innenströme werden da nicht reichen. Wir müssen die Gesundheitsversorgung künftig in völlig neuen Strukturen denken – innerhalb der Einrichtungen aber auch innerhalb des Systems. Es wird mehr Freiheit und mehr Flexibilität benötigen und nicht mehr Effizienz. Ob die Politik dazu bereit ist, wird sich zeigen. (rüm)