Die Regierung ist sich beim Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE) einig. Fix ist aber auch, dass die Mitsprache der Ärzteschaft eingeschränkt wird.
ÖVP und Grüne haben sich auf die bereits seit Wochen diskutierte Novelle zum Primärversorgungsgesetz geeinigt. Sie wird am Mittwoch im Ministerrat beschlossen und noch am selben Tag im Parlament eingebracht. Der Ausbau der Primärversorgung ist ein wesentlicher Teil der von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Joannes Rauch (Grüne) angekündigten Reform des Gesundheitssystems.
Durch zusätzliche Primärversorgungseinheiten (PVE) sollen zusätzliche innovative Angebote im niedergelassenen Bereich entstehen. „Sie bieten eine ganze Reihe von Vorteilen für Patient:innen sowie Mitarbeiter:innen, etwa längere Öffnungszeiten, eine geregelte Vertretung bei Urlauben oder Krankenstand und ein erweitertes Angebot. Dort arbeiten verschiedene Gesundheitsberufe zusammen: Ärzt:innen, Pfleger:innen, Physiotherapeut:innen, und viele andere mehr“, heißt es in einer Mitteilung des Bundeskanzleramtes.
Die multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgungseinheiten werden österreichweit eingerichtet. Ziel ist eine Verdreifachung der Anzahl bis 2025. Die Errichtung von PVE wird mit 100 Millionen aus EU-Fördermitteln unterstützt. Die Novelle ist ein wichtiger Baustein, um dieses Geld abrufen und gezielt einsetzen zu können. Neu in der Regierungsvorlage zum Primärversorgungsgesetz ist unter anderem die Ermöglichung reiner Kinder-PVE. Man will damit dem Mangel in diesem Fachgebiet begegnen. Wer bereits eine Wahlarztpraxis betreibt, wird im Rahmen des Auswahlverfahrens gleich behandelt wie Kassenärzte. Bei der Gründung werden künftig die Gesundheitsberufe gleichberechtigt. Nicht nur Ärzt:innen können Gesellschafter:innen werden, sie müssen aber mehr als 50 Prozent am Kapital der Gesellschaft halten.
Zur Beschleunigung der Verfahren wird das Bewerbungs- und Auswahlverfahren verkürzt. Bei zwei länger unbesetzten Kassenstellen in einer Versorgungsregion kann die Landeszielsteuerungskommission (bestehend aus Land und Sozialversicherung; ohne Ärztekammer) einen Beschluss für ein PVE an einem Standort in dieser Region fassen. Außerdem entfällt die Bedarfsprüfung für gemeinnützige Ambulatorien, die ein PVE betreiben wollen. Heißt: die Mitsprache der Ärztekammer wird eingeschränkt.
Dort reagiert man deshalb entsprechend reserviert. „Es ist erfreulich, dass der Gesundheitspolitik endlich der Platz zugestanden wird, der ihr als eines der zentralen Zukunftsthemen gebührt“, kommentiert Harald Schlögel, geschäftsführender Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, die Pläne der Regierung: „Allerdings ist es nicht nachvollziehbar, dass bislang darauf verzichtet wurde, genau die Menschen einzubinden, die die Gesundheitsleistungen auch erbringen, nämlich die Ärztinnen und Ärzte.“ Auch jetzt würden weiter von den Kassen Honorarabschlüsse weit unter der Inflationsrate angeboten, zeigt sich Schlögel verärgert. Es müsse auch Geld in die Hand genommen werden. Primärversorgungseinheiten seien an manchen Standorten durchaus sinnvoll, betont Edgar Wutscher, Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Sie würden allerdings das Grundproblem nicht lösen, dass viele Ärztinnen und Ärzte aufgrund der starren Strukturen und des Honorarkatalogs keine Kassenstelle annehmen wollen: „Flexibilität bei den Rahmenbedingungen und ein den aktuellen Bedürfnissen für eine optimale Patientenversorgung angepasster Leistungskatalog.“ (rüm)
Service: Die Details der Reform