RELATUS IM DIALOG: Lehner vers. Huss – Kassenminus aus zwei Blickwinkeln  

Am 1. Juli wechselt der Vorsitz in der ÖGK und dem Dachverband. Die Frage, ob und wie viel öffentliche Hilfe die Krankenkassen in der Folge der Corona-Krise brauchen, ist selbst intern umstritten. Der scheidenden DV-Vorsitzende Peter Lehner und der neue ÖGK-Obmann Andreas Huss zeigen im Dialog ganz unterschiedliche Einschätzungen.

Andreas Huss ist mit 1. Juli neuer Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse und löst damit Matthias Krenn ab. Huss war bisher Krenns Stellvertreter und ist Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.

Die ÖGK wird in jedem Fall Unterstützung brauchen. 2018, das letzte Jahr in dem die Gebietskrankenkassen noch eigenständig gearbeitet haben, wurde mit einem leichten Plus abgeschlossen. Das Jahr 2019 wird sich ähnlich darstellen. Im Jahr 2020 würde die neugegründete ÖGK ebenfalls eigentlich mit einer schwarzen Null abschließen, wenn da nicht zum einen die Corona-Krise wäre und wenn dann nicht zum anderen der große Rucksack gewesen wäre, den uns die alte Regierung hinterlassen hat. Wir müssen mehr in den PRIKRAF bezahlen und bekommen etwas weniger Geld aus Steuerrückerstattungen – das macht heuer alleine 45 Millionen Euro, die wir durch dieses Sozialversicherungsorganisationsgesetz schon weniger an Geld bekommen. In den nächsten fünf Jahren summieren sich alle Belastungen auf insgesamt auf 744 Millionen Euro.

Jetzt kommt die Corona-Pandemie dazu. Da fehlen uns zum einen 400 Millionen Euro für dieses Jahr durch die gestiegene Arbeitslosigkeit. Es hat heuer im ersten halben Jahr keine Beitragsprüfung stattgefunden – auch da werden uns 20 Millionen Euro fehlen und der dritte große Posten sind die Stundungen, die insgesamt für die Sozialversicherung zurzeit rund zwei Milliarden Euro ausmachen – für die ÖGK sind das 400 Millionen und wir wissen nicht genau was tatsächlich von diesem Geld noch reinkommt. Kreditschützer haben in den vergangenen Tagen schon gesagt, dass ab Herbst eine Insolvenzwelle kommen wird und dann bleiben wir natürlich auf diesen Kosten sitzen. Wir rechnen mit einer Bandbreite von rund 600 Millionen bis zu einer Milliarde Euro, die bis zum Jahresende fehlen werden und das muss uns die Regierung ersetzen.

Ich bin sehr froh, dass die Landesgesundheitsreferenten hier auch schon festgestellt haben, dass es ein Kastenfinanzierungspaket braucht. Alleine ist das nicht zu schaffen wir brauchen dieses Paket, um die normale Versorgung weiterführen zu können. Da spreche ich noch gar nicht vom notwendigen Ausbau wie etwa der Psychotherapie und der besseren Versorgung von chronisch kranken Menschen. Es gibt so viele Dinge, die wir in der ÖGK zusätzlich umsetzen müssen, da braucht es nicht nur das Geld das jetzt fehlt, sondern da brauchen wir zusätzliches Geld. Ohne Zuschuss vom Bund kann man die normale Versorgung der Versicherten nicht weiterführen.


Peter Lehner ist scheidender Vorsitzender des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger und Obmann der Sozialversicherung der Selbstständigen. Er wird als Dachverbandsvorsitzender am 1. Juli von Arbeitnehmervertreterin Ingrid Reischl abgelöst.

Die Sozialversicherung steht für soziale Sicherheit. Diese müssen wir den Österreichern gerade jetzt in diesen fordernden Zeiten garantieren. Hier ist kein Platz für Panikmache, Parteipolitik und dem Ruf nach neuen Leistungen. Das unabgestimmte Agieren des künftigen ÖGK-Obmanns Andreas Huss ist nicht nur bedenklich, sondern geht in Richtung rechtswidrig.

Die Corona-Krise ist ohne Frage auch für die Sozialversicherung eine fordernde Zeit. Durch die Wirtschaftslage mussten hohe Einnahmensverluste hingenommen werden. Die Prioritäten sind klar: Die Leistungen über alle Träger hinweg in vollem Umfang aufrechterhalten und gleichzeitig einen Konsolidierungskurs fahren. Unsere Versicherten erwarten ein verantwortungsbewusstes Wirtschaften von ihrer Sozialversicherung. Die Corona-Krise ist kein Freibrief zum Geldausgeben. Aufgrund der komplexen Situation sind die wahren Corona-Kosten heute nicht seriös abschätzbar. Daher werden wir bis Ende August mit validen Zahlen die nächsten Schritte entwickeln. Dies betrifft auch die Gespräche mit der Bundesregierung über eine finanzielle Unterstützung des Bundes zu den Pandemiekosten für die Sozialversicherungsträger. Allein Huss’ Forderung nach „600 Millionen bis einer Milliarde Euro“ zeigt, wie unseriös sein Agieren ist. Es wird nur mit großen Zahlen herumgeworfen. Das schafft weder Vertrauen bei den Versicherten noch kann man mit dieser wilden Kosten-Abschätzung glaubwürdig in Verhandlungen starten.