Die Bundesländer wollen den niedergelassen Bereich stärken, aber offenbar keine Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin ausbilden – und stoßen damit Jungmediziner:innen vor den Kopf.
Der geplante Facharzt für Allgemeinmedizin stößt auf Kritik aus den Bundesländern. In Vorarlberg, Tirol, Wien, der Steiermark und dem Burgenland befürchtet man durch dessen Einführung eine Verschärfung des Ärzt:innenmangels. Grund dafür soll die auf fünf Jahre verlängerte Ausbildungszeit sein, in den Ländern vermutet man, dass sich deshalb Jungmediziner:innen gegen die Facharztausbildung entscheiden könnten. Die härteste Kritik kommt aus dem Burgenland und Vorarlberg, dort bezweifelt man grundsätzlich die Sinnhaftigkeit und eines Facharztes für Allgemeinmedizin und die dadurch erhoffte gesteigerte Attraktivität der Allgemeinmedizin. Auch die Finanzierung sei nicht klar. Darüber hinaus würde die längere Ausbildungszeit dafür sorgen, dass Lehrpraxen länger von einzelnen Auszubildenden besetzt werden, was wiederum eine Knappheit an Ausbildungsstellen zur Folge haben könnte. Das Land Steiermark appelliert dafür, dass die Sonderfach-Schwerpunktausbildung wie die -Grundausbildung auch in einer Zentralen Ambulanten Erstversorgung stattfinden können soll.
Damit stoßen die Länder den Jungmediziner:innen vor den Kopf. Die Junge Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ) veröffentlichte als Antwort auf die Kritik aus den Ländern erneut eine Stellungnahme, in der betont wird, dass die im Rahmen des neuen Facharztes für Allgemeinmedizin geplante verlängerte Ausbildung in hausärztlichen Ordinationen und Primärversorgungseinrichten „der wichtigste und sinnvollste Schritt“ sei. Die JAMÖ weist hier auf Erfahrungsberichte aus dem Ausland, wo „eine längere Lehrpraxisdauer für eine hochqualitative Ausbildung notwendig ist und eine Attraktivierung darstellt“. In der Aussendung heißt es weiter: „Die im aktuellen Entwurf zur Novelle des Ärztegesetzes geplante Verlängerung in Form der Lehrpraxis kann angehenden Kolleg:innen die Sorge vor einer Niederlassung nehmen und ist somit ein Beitrag gegen den „Ärztemangel“ im Kassenbereich.“ Um die österreichische Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau zu erhalten, sind gut ausgebildete Allgemeinmediziner:innen essenziell, sagt Richard Brodnig, Obmann der JAMÖ. Die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin sei „dringend notwendig“.
Kritik an der (nicht ganz neuen) Einstellung der Länder gab es vom Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) Andreas Huss bereits im Juli – RELATUS berichtete. „Die Spitäler stehen in der Ausbildung auf der Sparbremse und bilden nur die Ärzt:innen aus, die sie für den eigenen Bedarf brauchen. Sie bilden aber leider nicht für die niedergelassene Versorgung aus“, meinte Huss damals und forderte deshalb, dass die Krankenversicherungen als Mitfinanziers der Spitäler ein Mitspracherecht haben und „besprochen wird, wie viele Ausbildungsstellen pro Spital und Bundesland notwendig sind, um die niedergelassene Versorgung mitzudenken.“ Dabei gehe es auch um die Frage, welche Fächer ausgebildet werden. Huss: „Es nutzt mir nichts, wenn die Länder haufenweise Chirurg:innen ausbilden. Das bringt mir in der hausärztlichen Versorgung wenig.“
Anfang Oktober veröffentlichte Zahlen der Statistik Austria zeigen: Immer mehr Mediziner:innen entscheiden sich für ein Fach und nicht für die Allgemeinmedizin. Während die Zahl der Allgemeinmediziner:innen pro 100.000 Einwohner:innen in den vergangenen fünf Jahren abgenommen hat, ist sie bei den Fachärzt:innen deutlich gestiegen. 2018 standen in der Allgemeinmedizin noch 169,4 Ärzt:innen pro 100.000 Einwohner:innen zur Verfügung, 2022 waren es nur noch 145,1. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Fachärzt:innen von 262,4 auf 304,7 pro 100.000 Einwohner:innen. In absoluten Zahlen standen damit 2022 laut Statistik Austria 13.214 Allgemeinmediziner:innen 27.743 Fachärzt:innen gegenüber. Die Unterschiede nach Bundesländern sind bei der Versorgung freilich groß, die Bandbreite reicht in der Allgemeinmedizin von 111,0 Ärzt:innen pro 100.000 Einwohner:innen in Vorarlberg bis 169,2 in Wien, bei den Fachärzt:innen von 234,4 (Oberösterreich) bis 405,2 (Wien). Trotz der vielen Fachärzt:innen gibt es allerdings auch hier Fachrichtungen mit Versorgungsmängeln im öffentlichen System (etwa Kinder- und Jugendpsychiatrie). (kagr/APA)