Mit der Wirtschaftskammerwahl wurden auch die Vertreter:innen der Arbeitgeberseite in den Kassen gewählt. Auf sie wartet nicht nur viel Arbeit angesichts explodierender Defizite. Sie müssen auch verlorenes Vertrauen wiedergewinnen.
Die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen ist komplex und schwer zu durchschauen. Bestellt wird sie durch die Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammerwahlen – auch wenn die Vertreter:innen in den Kassen dort nicht transparent zu Wahl stehen. Kaum jemand weiß also, dass er oder sie auch die Vertreter:innen in der Selbstverwaltung wählt. Dazu kommt, dass viele ihre Vertreter:innen gar nicht wählen dürfen: mitversicherte Angehörige, Kinder und Pensionist:innen.
Die rund 7,4 Millionen Versicherten in der ÖGK werden so nur von rund 4,7 Millionen gewählt. Rund 775.000 davon sind Dienstgeber:innen, deren Vertreter:innen durch die jetzt zu Ende gegangenen Wirtschaftskammerwahlen gewählt worden sind. Und sie stellen immerhin die Hälfte der ÖGK-Funktionär:innen. Aber auch in der SVS gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Wahlberechtigten und Versicherten: Von 1,3 Millionen Versicherten sind nur etwa 930.000 wahlberechtigt etwa 155.000 sind Landwirt:innen, die ihre eigene Kammer wählen.
Herausgefordert wird die Selbstverwaltung aber vor allem durch die niedrige Wahlbeteiligung bei den Kammerwahlen. In der Wirtschaftskammer ist die Wahlbeteiligung gegenüber der Wahl 2020 um 7,2 Prozentpunkte auf nur noch 26,5 Prozent weiter zurückgegangen. Umgerechnet bedeutet das: rund 205.000 Menschen haben für fast eine Million Versicherte entschieden. Bei den Arbeiterkammerwahlen lag die Wahlbeteiligung bei etwa einem Drittel – wohlgemerkt von 4 Millionen Wahlberechtigten. Das bedeutet in absoluten Zahlen: von 7,4 Millionen Versicherten haben 1,3 Millionen die Selbstverwaltung auf Arbeitnehmer:innen-Seite gewählt. Von den Mehrheitsfraktionen in den jeweiligen Bereichen ist hier gar nicht die Rede – sie kommen durchgerechnet jeweils auf etwas mehr als 10 Prozent aller Versicherten.
Nun gibt es Kritiker:innen, die aufgrund solcher Zahlen die Legitimation der Selbstverwaltung der Kassen anzweifeln. Dazu zähle ich mich nicht, denn in einer Demokratie steht es jedem und jeder frei, wählen zu gehen. In der Sozialversicherung stimmt das zwar auch nicht ganz, aber gerade deshalb sind die künftigen Funktionär:innen gefordert sich zu beweisen. Das wird im Hinblick auf steigende Defizite und der Debatte über Einsparungen nicht einfach. Eine Chance, die eigenen Versicherten mitzunehmen, bietet sich vielleicht darin, auch transparenter zu agieren. Die Bestellung der Funktionär:innen könnte dazu ein erster Schritt sein. (rüm)