Die coronagebeutelte Gesundheitskasse ÖGK soll einen „dreistelligen Millionen-Betrag“ erhalten, heißt es nach ersten Gesprächen mit dem Bund. Gegen eine Ausfallshaftung spricht sich allerdings der Vizeobmann des Dachverbandes und Obmann der Selbstständigenkasse, Arbeitgebervertreter Peter Lehner aus.
Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Mittwoch nach einem ersten Treffen mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) finanzielle Coronahilfen des Bundes zugesagt. Er versprach einen „dreistelligen Millionenbetrag“ für heuer, konkreter wurde er noch nicht. Das Gespräch sei äußerst konstruktiv verlaufen, betonte Anschober in einer Pressekonferenz. Der Bund werde seine Verantwortung wahrnehmen. Inklusive 2021 und 2022 – denn auch über diesen Zeitraum will der Minister ein Gesamtpaket schnüren – soll es um einen „schon größeren dreistelligen Millionenbetrag“ gehen. Auch ÖVP-Klubchef August Wöginger sprach gegenüber der APA von einer „konstruktiven und guten Startsitzung“. Bevor genaue Summen fixiert werden, soll eine Expertenrunde – mit Beteiligung des Finanzministeriums für eine einheitliche Zahlengrundlage sorgen. Laut Wöginger brauche es für eine staatliche Unterstützung einen Regierungs- und einen Parlamentsbeschluss. Die Liquidität der ÖGK sei jedenfalls nach wie vor gewährleistet, Grund zur Sorge bestehe also nicht.
Andreas Huss (SPÖ), im laufenden Halbjahr Obmann der Kasse, freute sich über die grundsätzliche Unterstützungszusage. Generaldirektor Bernhard Wurzer erwartet recht bald einen Abschluss. Es sei anerkannt worden, dass die ÖGK unverschuldet in eine schwierige Finanzsituation gekommen sei, betonte Huss. Neben dem heuer erwarteten Defizit von 447 Millionen Euro gebe es auch noch 440 Millionen Euro an Stundungsaußenständen. Wenn nun die von Kreditschützern erwartete große Insolvenzwelle komme, müsse man einen großen Teil davon im kommenden Jahr abschreiben. Seine Prognose, dass die Kasse zwischen 600 Millionen und 1 Milliarde Euro brauchen werde, halte er deswegen weiterhin aufrecht, sagte Huss.
Zurückhaltung kommt allerdings von der Arbeitgeberseite in der Sozialversicherung. Der Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS und Co-Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungen, Peter Lehner, will sowohl für seine SVS als auch für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) nur die gestundeten Beiträge von Staat ersetzt haben. Die aufgrund der Arbeitslosigkeit gesunkenen Beitragseinnahmen will er für die ÖGK nur dann ausgeglichen haben, wenn die Selbstverwaltung das nicht mehr schaffen sollte. Für die ÖGK fordert Lehner zur Bewältigung der gesunkenen Beitragseinnahmen in Folge der Arbeitslosigkeit „eigenverantwortliches Handeln in der Selbstverwaltung. Das ist die Kernaufgabe, nicht der Ruf nach dem Staat.“ Auch die ÖGK müsse schauen, wo sie konsolidieren könne. Der Co-Vorsitzende des Dachverbandes verwies darauf, dass es Rücklagen auch in der ÖGK gebe. „Die sind für Krisen da.“ Erst wenn das Management das finanzielle Loch nicht alleine bewältigen könne und man die genauen Beträge kennt, solle man mit der Politik darüber verhandeln.
Die NEOS argumentieren ähnlich, gehen aber noch weiter. Dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) vom Bund einen dreistelligen Millionenbetrag an Coronahilfe erhalten soll, stößt bei NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf Unverständnis. Er pocht stattdessen aber auf einen Risikoausgleich unter den Kassen. Die ÖGK dürfe nicht von der Beamten- und Bauernkasse BAVEB, der Selbstständigenkasse SVS und den 15 Krankenfürsorgeanstalten im Stich gelassen werden, appellierte er. Das Problem sei, dass die Rücklagen nicht fair zwischen den Trägern verteilt seien, weil alle schweren Versichertenrisiken in der ÖGK zusammengefasst seien. Diesen finanziellen Nachteil könne sie auch mit ihrer relativ vorteilhaften Verwaltungskostenstruktur nicht kompensieren. Einen Risikoausgleich hatte Lehner allerdings schon zu Jahresbeginn kategorisch abgelehnt. (APA/red)