Die 5q-Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine autosomal-rezessive neuromuskuläre Erkrankung, die bei Betroffenen zu einer progressiven Muskelatrophie und -schwäche führt. Neue Daten unterstreichen nun entsprechende Therapien.
Mit einer Inzidenz von 1/11.000 ist die SMA zwar eine relativ seltene Erkrankung, aber eine vergleichsweise häufige genetische Todesursache in der frühen Kindheit.1 Ihre Ursache liegt in einer Degeneration der Vorderhornzellen im Rückenmark. Diese kann in Folge zu einer Tetraparese und schließlich zu einer Lähmung der Atemmuskulatur führen. Eine Klassifikation in vier Typen basiert einerseits auf dem Erreichen wichtiger motorischer Entwicklungsschritte und andererseits auf dem Symptombeginn. Die Bandbreite reicht von infantilen Formen, bei denen jeweils nie das freie Sitzen (Typ I) oder das freie Sitzen, aber nicht das selbstständige Gehen erlernt wird (Typ II), bis zur juvenil progressiven (Typ III) und adulten Form (Typ IV), die oft nicht bemerkt wird und mit einer normalen Lebenserwartung einhergeht.
Der Erkrankung liegt eine homozygote Deletion oder Mutation im survival motor neuron1 (SMN1) Gen zugrunde, das eines von zwei Genen ist, die sich am Chromosom 5q13.2 befinden und für das SMN-Protein codieren. Das zweite Gen, SMN2, produziert zu etwa 90 % dysfunktionales Protein. Die Zahl der SMN2-Genkopien korreliert negativ mit dem Ausprägungsgrad der SMA. So entwickeln schätzungsweise 75 % der Individuen mit nur zwei Genkopien eine SMA Typ I und 80 % mit drei Kopien eine SMA Typ II.2
Rezent publizierte Daten unterstreichen nun die Wirksamkeit von Nusinersen (Spinraza®) bei SMA. Einerseits führt eine frühzeitige Verabreichung vor dem Auftreten erster Symptome zu einer deutlich verbesserten motorischen Entwicklung. Andererseits zeigen Daten, dass die motorische Verbesserung – unabhängig vom Lebensalter – bei Erwachsenen mit derjenigen in den Zulassungsstudien bei Kindern festgestellten vergleichbar ist. Nusinersen (Spinraza®) ist ein Antisense-Oligonukleotid, das die Expression des SMN2-Gens modifizieren und so die SMN-Protein-Produktion erhöhen kann. Auf Basis von zwei Zulassungsstudien wurde Nusinersen von FDA und EMA als erste medikamentöse Therapieoption für SMA zugelassen, unabhängig von Alter und Krankheitsstadium.
In der open-label Phase-II-Studie NURTURE2 wurden insgesamt 25 Kinder ≤ 6 Wochen eingeschlossen, die entweder 2 SMN2-Kopien (n = 15) oder 3 SM2-Genkopien (n = 10) aufwiesen. Bei einer medianen Beobachtungszeit von 33,9 Monaten erlernten alle Kinder das freie Sitzen, das bei SMA Typ I nicht erlernt wird. Insgesamt erlernten 88 % der untersuchten Kinder während des Untersuchungszeitraums das selbstständige Gehen – eine motorische Funktion, die wederKinder mit SMA Typ I noch Typ II beherrschen. Bei Gabe von Nusinersen in der präsymptomatischen Phase der Erkrankung, erreichen alle Kinder mit 3 Genkopien und ein Großteil der Kinder mit zwei Genkopien zwei wesentliche motorische Entwicklungsschritte (freies Sitzen, Gehen ohne Unterstützung) im normalen, von der WHO definierten Zeitfenster.2
In einer kürzlich publizierten Beobachtungsstudie1 konnten an 10 Zentren in Deutschland insgesamt 139 Patienten im Alter zwischen 16 und 65 Jahren eingeschlossen werden.
Untersucht wurden drei Schlüsselparameter:
Mithilfe des HFMSE-Scores (max. 66 Punkte) werden die motorischen Fähigkeiten von SMA-Patienten beurteilt, die (noch) sitzen bzw. gehen können. Bei SMA-Typ II/III-Patienten nimmt der Score-Wert durchschnittlich um einen halben Punkt pro Jahr ab.3 Unter Nusinersen erreichten die Studienteilnehmer 6, 10 bzw. 14 Monate nach Therapiebeginn eine durchschnittliche Zunahme um 1,73, 2,58 bzw. 3,12 Punkte. Eine Zunahme um ≥ 3 Punkte, im Sinne einer klinisch relevanten Verbesserung, erreichten 28, 35 bzw. 40 % der Patienten.1 Zum Vergleich: Im Zuge der CHERISH-Studie4 an Kindern zwischen 2 und 9 Jahren wurde in 15 Monaten eine Zunahme des HFMSE-Scores um durchschnittlich 3,9 Punkte erreicht.4 Die HFMSE-Verbesserung korrelierte zwar mit einem höheren Ausgangswert, war aber unabhängig vom Alter. Für die weiteren untersuchten Muskelfunktionsparameter 6MWT und RULM zeigten sich ähnliche Ergebnisse.1