Die Querelen in der Ärztekammer gehen weiter, doch jetzt meldet sich Präsident Johannes Steinhart nach einer überstandenen Herzoperation zurück.
Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und der Ärztekammer Wien, meldet sich nach überstandener Herzoperation zurück mit einem „Lebenszeichen“, wie er über seine Fraktion, die Vereinigung Österreichischer Ärztinnen und Ärzte, mitteilt. Er befinde sich inzwischen „nach dieser sehr aufwändigen OP und der anschließenden Rehabilitation zügig auf dem Weg der Besserung“, schreibt Steinhart. „Die mich sehr stark beeinträchtigenden Symptome meiner Herzinsuffizienz sind inzwischen abgeklungen, meine frühere Energie kehrt allmählich zurück.“ Vor diesem Hintergrund gehe er davon aus, Anfang September wieder in sein Amt als Österreichischer Ärztekammerpräsident zurückkehren zu können. Nachsatz: „Aber ich bin schon jetzt nicht inaktiv, ich pflege politische Kontakte und führe viele Telefonate, um die Anliegen der Ärzt:innenschaft zu unterstützen.“
Wohl auch eine Botschaft an interne Kritiker:innen, denn Steinhart legt nach: „Die österreichische Ärzt:innenschaft befindet sich leider gegenwärtig in einer politisch ausgesprochen herausfordernden Situation, die unsere konsequente, gut abgestimmte und einmütige standespolitische Reaktion erfordert. Es gehe aktuell darum, den zahlreichen politischen Zumutungen an die Ärzt:innenschaft geschlossen und engagiert entgegen zu treten. Steinhart bedankt sich bei allen „Kolleg:innen in den Landesärztekammern und in der Österreichischen Ärztekammer, die sich mit großem Einsatz für unsere Ziele einsetzen. Und ich bedaure sehr, dass ich sie in den vergangenen Monaten aus gesundheitlichen Gründen nicht in dem Ausmaß unterstützen konnte, mit dem ich mich gerne für unsere Anliegen eingesetzt hätte und in den vergangenen Jahrzehnten auch eingesetzt habe. Ich hoffe sehr, dass mir dieses Engagement ab Anfang September wieder möglich sein wird.“
In der Standesvertretung der Ärzt:innen rumort es indes weiter: Zuletzt wurde wie berichtet bekannt, dass Steinhart in der Causa der „ÄrzteEinkaufsService – Equip4Ordi GmbH“ (E4O) als Beschuldigter geführt wird. Dabei soll es laut Wiener Staatsanwaltschaft um den Verdacht der Beteiligung an Untreue gehen. Die Salzburger Ärztekammer fordert deshalb nun den Rücktritt des Präsidenten. „Seit Monaten belasten strafrechtliche Vorwürfe im Wirkungsbereich der Wiener Ärztekammer nicht nur deren Reputation, sondern wirken destruktiv auf alle Strukturen der ärztlichen Standesvertretungen in den Ländern und auf die Österreichische Ärztekammer“, teilte Salzburgs Ärztekammerpräsident Karl Forstner in einer Aussendung mit. Damit sei eine Grenze erreicht, „bei der wir zwingend politische Verantwortung durch Dr. Steinhart einfordern.“ Steinhart selbst sieht das anders. In einer Aussendung an Funktionär:innen am Montagabend wies er einmal mehr alle Vorwürfe zurück und bestritt auch den „Neuigkeitswert“ jüngster Medienberichte. „Unverändert ist die Suppe sehr dünn, und ich wurde bisher nicht einmal als Zeuge angefragt“, betonte er.
Die E4O-Causa ist allerdings nicht die einzige Baustelle der Ärztekammer. Für Aufregung sorgt derzeit eine Betriebsvereinbarung im Wiener Gesundheitsverbund (WiGev) über längere Arbeitszeiten, die von der Wiener Ärztekammer als „heimlich“ ausgehandelte Vereinbarung kritisiert wird. Der neue Arbeitszeitdeal, der zwischen WiGev und Personalvertretung beschlossen wurde, ermöglicht es, die Arbeitszeit von Ärzt:innen in den Bereichen Anästhesie und Intensivmedizin auf freiwilliger Basis von 48 auf 55 Stunden anzuheben. In der Wiener Ärztekammer zeigt sich Steinharts intern umstrittener Stellvertreter Stefan Ferenci als zuständiger Kurienchef der Spitalsärzt:innen irritiert über „die still und heimlich ausgehandelte Vereinbarung“. „Normalerweise ist das ein Verhandlungsprozess, wo als Entgegenkommen für den Dienstgeber die maximale Wochenarbeitszeit erhöht wird, aber es natürlich im Gegenzug auch Benefits für die Dienstnehmer gibt“, sagte Ferenci im Ö1-Interview. Doch außer der Abgeltung der Überstunden seien in der Vereinbarung keine weiteren Benefits vorgesehen. Ferenci verwies auf das AKH Wien, wo die Personalvertretung 2016 für eine ähnliche Betriebsvereinbarung 30 Prozent mehr Gehalt ausgehandelt hatte. Allerdings gab es damals auch Diskussionen darüber, ob alle, die das wollten auch Überstunden machen durften.
„Solche Notmaßnahmen kann man ja machen. Es ist nur überraschend, dass das sehr einseitig ist.“ Man frage sich, wen Personalvertretung und Gewerkschaft vertreten, ob Dienstgeber oder Dienstnehmer, so der Kurienchef. Außerdem äußerte Ferenci die Sorge, „dass indirekt auf die Mitarbeiter:innen Druck ausgeübt wird, damit sie den bereits geplanten Sommerurlaub konsumieren können.“ Beim Wiener Gesundheitsverbund wies man die Kritik der Ärztekammer zurück. „Wenn das jemand nicht möchte, gibt es überhaupt keinen Druck, und dann wird das einfach nicht gemacht. Das steht außer Frage für uns“, erklärte Sprecherin Nina Brenner-Küng. In anderen Bundesländern gibt es für Spitalsärzt:innen schon länger die Möglichkeit, die Arbeitszeit mit Betriebsvereinbarungen auf 55 Stunden zu erhöhen. Aus Sicht des Präsidenten der steirischen Ärztekammer, Michael Sacherer, brachte das bisher keine Probleme.
Während die Wiener Ärztekammer mit Querelen in den eigenen Rängen und mit dem WiGev beschäftigt ist, bilden die Gewerkschaften aller Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten im Gesundheitsbereich, die GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und die younion – Team Gesundheit eine neue Allianz „für das öffentliche Gesundheitswesen“, wie es in einer Aussendung heißt. Im Jahr 2020 wurde eine ähnliche Allianz gegründet („Offensive Gesundheit“), damals allerdings noch mit der Beteiligung der Wiener Ärztekammer. Im Rahmen eines Pressegespräches am Mittwoch werden Edgar Martin, Vorsitzender younion – Team Gesundheit, und Reinhard Waldhör, Vorsitzender GÖD-Gesundheitsgewerkschaft, ein Forderungspaket vorstellen. Ziel der Allianz ist es, dass durch ihre Forderungen „rasch“ Gegenmaßnahmen gegen die Probleme im Gesundheitswesen, allen voran die „systematische Überbelastung der Beschäftigten“, gefunden werden. (rüm/kagr/APA)