Die Regierung hat am Sonntag die Verhandlungen zur ökosozialen Steuerreform präsentiert. RELATUS MED hat sich angesehen, welche Punkte den Gesundheitsbereich betreffen.
ÖVP und Grüne sind sich einig: ihre Öko-Steuerreform ist ein großer Wurf und gleichzeitig das „größte Entlastungspaket in der Geschichte“. Das Prestigeprojekt der türkis-grünen Koalition bringt eine CO2-Bepreisung, die mit 30 Euro pro Tonne startet und in den Folgejahren steigt. Die Einnahmen sollen verwendet werden für eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommensstufen ab 1. Juli 2022, eine Erhöhung des Familienbonus sowie Entlastungen für Unternehmen. Insgesamt soll die Reform Entlastungen bis zum Jahr 2025 in der Höhe von 18 Milliarden Euro bringen.
Für Diskussionen sorgen wird in den kommenden Tagen bis zur Rede des Finanzministers im Parlament am 13. Oktober sicherlich noch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen ab Juli 2022, beginnend mit 1,7 Prozentpunkten. Derzeit liegen die Krankenversicherungsbeiträge im ASVG-Bereich bei 7,65 % (Dienstnehmer 3,87 %, Dienstgeber 3,78 %). Bis zu einem Einkommen von 2.600 Euro Brutto werde es eine langsam einschleifende Senkung der Beiträge geben. Davon profitieren laut Regierungsangaben 2,3 Millionen Arbeitnehmer und 1,6 Millionen Pensionisten, hieß es am Sonntag aus Regierungskreisen.
Welches Volumen insgesamt die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge ausmachen wird, war am Sonntag noch nicht klar. Bei Gesamteinnahmen in der Krankenversicherung von 20,377 Milliarden Euro im Jahr 2020 rechnen Experten aber mit bis zu einer Milliarde Euro. Das wäre auch jenes Volumen, das die ÖVP einst als Einsparungen durch die Zusammenlegung der Sozialversicherungen versprochen hat. Bisher wurden diese Synergien aber nicht erreicht. ÖGK-Obmann Andreas Huss bezifferte die Einbußen für die Gesundheitskasse am Sonntagabend in den sozialen Medien auf bis zu 800 Millionen Euro. Gut möglich also, dass die Steuerreform den Spardruck im Gesundheitswesen erhöht. Und das gilt nicht nur für den niedergelassenen Bereich, sondern auch für die Spitäler. Denn für diese zahlen die Kassen einen gedeckelten Beitrag ihrer Einnahmen. Sinken die Einnahmen, sinken auch die Zahlungen an die Spitalsfonds. Bei einer Milliarde wären das mehr als 300 Millionen Euro.
Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller betonte am Sonntag, die Entlastung des Faktors Arbeit auf der Arbeitnehmerseite durch eine Lohnsteuersenkung und die Reduktion der Krankenversicherungsbeiträge im unteren Einkommensbereich sei gut. Offen war noch, wie die Regierung aus dem Bereich der Einnahmen aus der CO2-Steuer Kompensationszahlungen an die Krankenkassen leistet. Letztlich hat der Klimawandel ja auch massive gesundheitliche Folgen. Allerdings würden solche Kompensationen den Steueranteil im Gesundheitswesen erhöhen. Huss: „Kogler meint zwar wir bekämen das eh zurück, nur mein Vertrauen hält sich in Grenzen.“ Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisierte die Erhöhung des Familienbonus und die Senkung der mittleren Tarifstufen bei der Einkommenssteuer als Geschenk für Besserverdienende. Insgesamt würden wichtige Einnahmen für Pflege und Gesundheit fehlen. Was in der Reform völlig fehle, sei „ein Lastenausgleich von den Reichsten, um die Kosten der Corona-Krise solidarisch zu bewältigen.“ (red)