Streit um Auswertung von Gesundheitsdaten

AHF

Eigentlich sind sich viele Akteure einig: würde man Gesundheitsdaten besser verknüpfen, könnte man die Versorgung verbessern und medizinische Erkenntnisse nutzen. Die Regierung hat nun einen Plan für die Sammlung von Daten vorgelegt – und erntet massive Kritik.

Offiziell geht es um eine Verknüpfung von Daten für den „Grünen Pass“. Doch eigentlich geht es um viel mehr. Immer wieder wurde in den vergangenen 15 Monaten kritisiert, dass die Datenlage im heimischen Gesundheitswesen schlecht ist. Die Bundesländer und die Spitalsträger erheben verschiedene Daten, eine sinnvolle Sammlung und epidemiologische Auswertung gibt es kaum. Verknüpfungen mit den Sozialversicherungen fehlen auch. Das möchte die Regierung nun ändern. Das Gesundheitsministerium hat eine Novelle des Epidemie- und des Covid-19-Maßnahmengesetzes erarbeitet, mit der der „Grüne Pass“ umgesetzt wird. Darin ist auch eine großangelegte Sammlung von Daten fast aller Bürger vorgesehen. Die Opposition ortet einen Super-GAU und ein Desaster.

Konkret werden die in der ELGA-Infrastruktur vorgenommenen Impfungen in ein anderes Register, das Epidemiologische Meldesystem (EMS), kopiert. In dieser Datenbank werden damit Covid-19-Erkrankte mit geimpften Personen zusammengeführt, womit dort fast die gesamte österreichische Bevölkerung abgebildet sein wird. Dabei bleibt es aber nicht: In diesem Register soll eine Verbindung von aktuellen und historischen Daten über das Erwerbsleben, das Einkommen, etwaige Arbeitslosigkeiten, den Bildungsweg, Reha-Aufenthalte und Krankenstände einer Person vollzogen werden. Die Daten, die gesammelt werden sollen, betreffen unter anderem Anzahl und durchschnittliche Dauer von Krankenständen, Rehabilitationsaufenthalte, die höchste abgeschlossene Ausbildung, Erwerbsverläufe, Arbeitsmarktstatus, Einkommen und Arbeitsort.

Gesundheitsökonomen begrüßen die pseudonymisierte Auswertung. Datenschützer und viele Akteure im Gesundheitswesen lehnen das ab. Mit diesem Register entstehe praktisch eine Datenbank über annähernd die gesamte Bevölkerung, welche sensible Gesundheitsdaten mit „fast willkürlichen Lebensbereichen verknüpft“, kritisieren Datenschützer. Angesichts dieser Datenfülle sei die vorgesehene Pseudonymisierung „gänzlich wirkungslos, da Menschen anhand der Kombination der Merkmale in dieser Datenbank eindeutig identifizierbar werden.“ Das Gesundheitsministerium begründet das geplante Register mit der Schaffung eines „effektiven Pandemiemanagements“. Es gebe zunehmend Hinweise auf sogenannte „Impfdurchbrüche“ und „Ausbruchscluster“, die mit den verfügbaren Daten nicht nachvollzogen bzw. aufgeklärt werden können. „Datenschutz ist uns sehr wichtig“, bekräftigte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Nachdem man gesehen habe, dass während der Pandemie die Daten nicht optimal vorhanden waren, um Einschätzungen treffen zu können, stelle man das nun auf neue Beine. Persönliche Gesundheitsdaten müssten geschützt werden, aber natürlich wolle man etwa wissen, ob Personen, die schon Covid-19 gehabt haben, sich wieder infizieren können, „und dazu sind solche Verschränkungen wichtig, genauso wie die Anonymisierung wichtig sind“. Wo Datenschutzbedenken sind, werde man das prüfen, aber „ich gehe davon aus, dass die Daten zentral im Gesundheitsministerium gut aufgehoben sind“, sagte der Minister. Später hieß es, dass der umstrittene Paragraph doch nicht wie geplant kommen soll.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sagte in einer Aussendung, dass die SPÖ mehrere Verbesserungsvorschläge eingebracht habe. Um den Datenschutz zu gewährleisten, fordert die SPÖ unter anderem eine dezentrale Lösung analog zum europäischen Weg. „Einen Datenmoloch, in dem jedes Bewegungsprofil zentral gespeichert wird und die Nachverfolgbarkeit bis ins Privatleben der Bürger gegeben ist, wollen wir nicht.“ Es müsse aber möglich sein, dass man anonymisierte statistische Daten sammelt, um seriöse wissenschaftliche Forschung zu ermöglichen. „Es ist in vielen anderen Staaten möglich, Daten für statistische und wissenschaftliche Zwecke zu sammeln und den Missbrauch auszuschließen. Das muss auch Österreich schaffen“, so Leichtfried. Auch der Dachverband der Sozialversicherungsträger lehnt die Sammlung von Sozialdaten von Bürgern ab. „Abgelehnt wird jedenfalls eine Übermittlung von Daten der Versicherten der Sozialversicherungsträger auf Basis dieser Rechtsgrundlage. Die selbstverwaltete Sozialversicherung verarbeitet Gesundheitsdaten und andere hochsensible Daten im Auftrag ihrer Versicherten. Durch eine Übermittlung dieser Daten aus dem Verantwortungs- und Kontrollbereich der Sozialversicherung können die Sozialversicherungsträger und der Dachverband die Sicherheit dieser Daten nicht mehr garantieren“, so der Dachverband in seiner Stellungnahme. Auch die Ärztekammer lehnt „unnötiges Datensammeln“ ab. „Es steht außer Frage, dass die Verknüpfung von Gesundheitsdaten Vorteile hat, wenn es etwa darum geht, neue Einsatzbereiche für Medikamente zu identifizieren. Die aktuellen Pläne des Gesundheitsministeriums gehen aber deutlich zu weit“, kommentierte Präsident Thomas Szekeres den Gesetzesentwurf. (red)