Im Hintergrund eines Streiks in einer Wiener Notaufnahme streiten Ärztekammer und Gewerkschaft, wer die Beschäftigten besser vertritt. Es ist das Ende eines Bündnisses.
„Mehr von uns, besser für alle“ – mit diesem gemeinsamen Credo haben sich die Vertreter:innen aus allen für die Gesundheitsversorgung relevanten Fachgewerkschaften sowie der Arbeiter- und der Ärztekammer im April 2000 zur Initiative „Offensive Gesundheit“ zusammengeschlossen. Im Februar 2022 startete man eine parlamentarische Bürgerinitiative für bessere Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung des Gesundheits- und Pflegepersonals vor, einen Monat später hat man fast 45.000 Unterschriften gesammelt. Im Mai gab es dann österreichweite Proteste mit 14.500 Teilnehmer:innen von den Gewerkschaften younion, GÖD Gesundheitsgewerkschaft, gpa, vida, der Wiener Ärztekammer, der Arbeiterkammer und des ÖGB.
Doch in der Zwischenzeit scheint man sich entzweit zu haben, bäckt kleinere Brötchen mit einem einstündigen Streik in der Notaufnahme eines Wiener Spitals und richtet sich vor allem über die Medien Unfreundlichkeiten aus. Der Warnstreik der Ärzt:innen der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Klinik Ottakring sei ein Hilferuf der dortigen Belegschaft, der auch vom Pflegepersonal solidarisch unterstützt werden, sagte Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident der Wiener Ärztekammer und Obmann der Kurie angestellte Ärzte: „Den Pflegekräften und anderen medizinischen Gesundheitsberufen der ZNA Ottakring ist aber das öffentliche Auftreten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal von der Personalvertretung – mit Unterstützung der eigentlich für Arbeitnehmeranliegen zuständigen Gewerkschaft younion – untersagt worden.“
Dort ortete man einen Alleingang der Ärztekammer, habe aber lediglich informiert, dass man den Streik der Ärzt:innen nicht unterstütze. „Wir vertreten 120 Berufsgruppen im Wiener Gesundheitswesen, praktisch alle haben Probleme – zum Teil massiv. Wir suchen Lösungen für das gesamte Team Gesundheit und nicht nur für Einzelne. Anders macht es auch gar keinen Sinn. Denn zieht eine Gruppe übermäßig Budget für sich ab, leiden alle anderen. Das kann so weit führen, dass das Gesamtsystem nicht mehr funktioniert“, sagte Edgar Martin, Vorsitzender der Hauptgruppe II der younion – Die Daseinsgewerkschaft. Nachsatz: „Wir lassen uns das ‚Team Gesundheit‘ nicht auseinanderdividieren.“
Der Vorwurf, der Streik sei eine Initiative der Ärztekammer, sei aus der Luft gegriffen, wehrt sich umgekehrt Ferenci: „Die Ärzt:innen der ZNA Ottakring haben ein eigenes unabhängiges Streikkomitee gegründet und den Streik als letztes Mittel selbstständig ausgerufen, weil die Generaldirektion des Wiener Gesundheitsverbunds (WIGEV) auf alle bisherigen Warnungen und Gefährdungsanzeigen zu den katastrophalen Zuständen in dieser Abteilung geschwiegen hat“, sagte Ferenci, dessen Amtsvorgänger Wolfgang Weismüller im Jahr 2000 noch das Bündnis mit der Gewerkschaft geschmiedet hatte. Ferenci zum jüngsten Streik: „Der einzige Beitrag der Ärztekammer war, die Kolleg:innen über ihr Streikrecht anwaltlich beraten zu lassen und organisatorisch zu begleiten. Eine Aufgabe, die eigentlich von den Gewerkschaften übernommen hätte werden müssen.“ (rüm)