Eine aktuelle Studie untersuchte die Wirksamkeit und Kosteneffizienz von Online-Verhaltenstherapien. Sie sind auch Thema beim Weltkongress für Psychiatrie im Austria Center Vienna.
Durch die Pandemie wurde Online-Therapie nicht nur möglich, sondern zum Trend. Ein britisches Autor:innenteam hat nun die Wirksamkeit und sonstige Aspekte einer Online-Verhaltenstherapie im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsformen mit direktem Kontakt der Patient:innen anhand der Daten von 27.540 Betroffenen analysiert. Das Ergebnis: Online-Therapien sind genauso wirksam und sogar kostengünstiger. Bei Kranken mit Depressionen war eine internetbasierte Verhaltenstherapie (entweder mit Online-Gesprächen oder per Online-Trainingspaket) genauso wirksam wie eine herkömmliche Behandlung. In je einem Viertel der Fälle konnte eine schwere Depression deutlich gemildert werden. Mit de facto hundert- oder 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit (Depressionen beziehungsweise Angststörungen) war laut den Autor:innen die digitale Therapie kostenmäßig günstiger: Pro Patient:in entstanden mehr als umgerechnet rund 400 Euro weniger Ausgaben als bei der herkömmlichen Therapie.
Auch beim Weltkongress für Psychiatrie im Austria Center Vienna wird ab heute über die Möglichkeiten von Telemedizin und Online-Therapien diskutiert. „Sicher wird man in Zukunft mehr Aktivitäten auch online durchführen. Bei jüngeren Patient:innen geht das besser als bei älteren. Es kommt aber vor allem auf das jeweilige Krankheitsbild an“, sagt der Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Wiener Universitätsklinik (AKH) und Kongress-Co-Organisator Johannes Wancata. Bei psychischen Erkrankungen, bei denen ein intensiver persönlicher Kontakt notwendig sei, wären Telemedizin oder Online-Angebote kaum angebracht. „Da geht es auch um die Beobachtung von Bewegung und Mimik der Betroffenen. Das funktioniert via Bildschirm schlechter“, sagt Wancata. Ein klassisches Krankheitsbild sei hier beispielsweise die Schizophrenie. Aber auch das könne sich in Zukunft ändern. Das Umgehen von Terminproblemen, schnelle Hilfe im akuten Bedarfsfall, Betreuung auch bei Verhinderung (Anreise, Krankheit, sonstige Umstände) ließen sich telemedizinisch im Fall des Falles gut managen.
Kritisch sieht Wancata die mittlerweile häufig im Internet angebotenen, vor allem auf Verhaltenstherapie ausgerichteten, Behandlungsprogramme, sozusagen „fertige Pakete von der Stange“. „Da geht es um Sicherstellung der Datensicherheit und der Qualität. Solche Programme entwickeln und anbieten kann ja heute buchstäblich ,Jede:r‘, ob das wirkt oder nicht – oder gar schadet. Hier hat Österreich Nachholbedarf“, erklärt Wancata. In Deutschland wurde mit der gesetzlichen Regelung für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) bereits vor einiger Zeit ein Rahmen geschaffen. Wenn klinische Studien einen ausreichenden Effekt belegen und Datensicherheit etc. gewährleistet sind, kann ein solches Programm in ein Register aufgenommen werden. Ärzt:innen dürften das dann auch auf Kosten der Krankenkassen verschreiben. Das gibt es in Österreich noch nicht. Grundsätzlich denkt Wancata aber, dass „solche Online-Anwendungen“ wahrscheinlich am ehesten bei Depressionen, Angst- oder Essstörungen hilfreich sein könnten.
Fast eine Milliarde Menschen ist laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO/2019) von einer psychischen Erkrankung betroffen. Für Viele ist Hilfe aus finanziellen oder anderen Gründen nur schwer oder gar nicht erreichbar. Die Ergebnisse der neuen Studie wurden in „Nature Mental Health“ publiziert. (kagr/APA)