Die SPÖ warnt erneut vor massiven Verlusten in der ÖGK aufgrund der Coronakrise. Die Regierung und die Kassen versuchen zu beruhigen. Kommende Woche will sich der Gesundheitsminister die Zahlen vorlegen lassen.
Wie stark trifft die Coronakrise die Sozialversicherungen wirklich? Und welche Folgen können steigende Ausgaben und Einnahmenausfälle haben? Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) startet kommende Woche erste offizielle Gespräche mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) über den Ausgleich für Corona-Finanzausfälle. Dann will die ÖGK auch eine Gebahrungsvorschau vorlegen.
Schon jetzt sorgt das Thema für heftige Diskussionen. Die SPÖ warnt vor Leistungskürzungen. SPÖ-Parteivorsitzende, Pamela Rendi-Wagner und der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker fürchten eine Gefährdung des österreichischen Gesundheitssystems durch coronabedingte Einnahmenverluste: „Es sind die hohe Arbeitslosigkeit, die geringere Beschäftigtenzahl und die Stundungen für Unternehmen, die zu den Einnahmenverlusten für die Krankenversicherung führen. Bis zu eine Milliarde Euro werden dort fehlen und bis zu eine halbe Milliarde bei der Finanzierung der Krankenhäuser. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, drohen Leistungskürzungen, Selbstbehalte, Beitragserhöhungen und Privatisierungen.“ Auch Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer, warnt vor einem Kollaps des öffentlichen Gesundheitssystems wegen großer finanzieller Verluste der Sozialversicherung: „Die Sozialversicherung muss wieder auf gesunde finanzielle Beine gestellt werden. Da ist jetzt die Bundesregierung gefordert, die auch für den Gesundheitssektor ein Hilfspaket schnüren muss, wie sie es schon für andere Bereiche gemacht hat.“
SP-Arbeitnehmervertreterin Ingrid Reischl, im laufenden Halbjahr Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungsträger, hat indes am Donnerstag alle Beteiligten zur Sachlichkeit aufgerufen. „Unbedachte Ansagen lösen nur Verunsicherung bei den Versicherten aus. Das sollte unterlassen werden“, mahnte Reischl und kündigte an, Anfang nächster Woche Klarheit in die Debatte zu bringen. Dann stehe die Veröffentlichung der Gebarungsvorschau der Sozialversicherung an. „Damit legen wir wichtige Fakten auf den Tisch und schaffen damit die nötige Klarheit. Danach können wir gründlich beurteilen und genauer sagen, was die COVID-19-Gesundheits- und Wirtschaftskrise für die gesamte Sozialversicherung und damit für Millionen Versicherte bedeutet“, stellte Reischl fest.
ÖVP und Grüne wiesen die Kritik der der SPÖ ebenfalls zurück. „Wir wissen, dass es Herausforderungen vor allem in der ÖGK-Finanzierung gibt, und wir haben immer gesagt, dass diese gelöst werden müssen. Jedenfalls muss und wird die sehr gute Versorgung der Versicherten gesichert sein. Wir wollen über das Ganze nicht spekulieren, sondern auf Basis valider Zahlen anschauen und diskutieren“, sagt der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner. Vor dem Schüren „unbegründeter Ängste durch die Opposition“ hat auch ÖVP-Kassenfunktionär und Reischl-Vize Peter Lehner gewarnt. Leistungen und Liquidität der Sozialversicherung seien gesichert, betonte er. Auch der ÖVP-Wirtschaftsbund warnte vor „Panikmache“.
Man werde sachlich und konstruktiv Lösungen suchen, versichert Anschober, obwohl noch immer große Bandbreiten der tatsächlichen Abgänge für 2020 vorlägen. Man werde im Laufe des Septembers Lösungen fixieren und damit, wie er erklärt, Sicherheit schaffen. „Die ÖGK ist ohne jedes Eigenverschulden durch Corona in eine schwierige finanzielle Situation geraten“, erläuterte er: „Diese werden wir gemeinsam lösen.“ (red)