Mit Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lässt der Tiroler Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger aufhorchen. Mit dem Hinweis, dass der AstraZeneca-Impstoff gegen die in Tirol verbreitet „Südafrika-Mutation“ weniger wirksam sein, habe er für Verunsicherung gesorgt.
Der Tiroler Ärztekammerpräsident und ehemalige Präsident der ÖÄK, Artur Wechselberger, hat scharfe Kritik am Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung geübt. Einerseits hätte man „eigentlich erwarten können“, dass es Österreich – wie andere Länder – schaffe, ausreichend Impfstoff zumindest für die ersten Monate zu organisieren, sagte Wechselberger. Zum anderen kritisierte er Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Sachen „Südafrika-Mutation“. Kurz hatte im Zuge der Ankündigung der Ausreisetestkontrollen für Tirol gemeint, dass die südafrikanische Variante insofern eine Herausforderung darstelle, weil der Impfstoff von AstraZeneca bei ihr möglicherweise eine geringere Wirkung zeige. „Was soll ich mit so einem Satz? Der ist dazu geeignet, Verunsicherung zu erzeugen und einen guten Impfstoff in Diskredit zu bringen. Ein Satz ohne nachvollziehbaren Inhalt“, kritisiert Wechselberger im APA-Interview. Sich mit solchen Aussagen hinzustellen, sei „der Sache nicht dienlich“. Damit öffne man Spekulationen Tür und Tor. „Wo sind denn die belastbaren Fakten?“, fragte Wechselberger.
Der Impfstoff biete große „epidemiologische Vorteile“, sei etwa leichter lagerbar, nicht so erschütterungsempfindlich, müsse erst nach zwölf Wochen aufgefrischt werden und habe geringere Nebenwirkungen. Außerdem verhindere er schwere Verläufe und Todesfälle. „Und darum sollte es ja ausschließlich gehen: Todesrate und Krankenhausaufenthalte bzw. Überlastung der Krankenhauskapazitäten“, so Wechselberger. Nur diese beiden Parameter könnten einem normalen Leben entgegenstehen. Hart ins Gericht ging der langjährige Tiroler Kammerchef auch mit der österreichischen Impfstoffbeschaffung. „Gesundheitswesen ist nationale Kompetenz und eine prioritäre Aufgabe des Staates. Das ist der österreichische Reflex, nationale Probleme der Europäischen Union in die Schuhe zu schieben“, kritisierte Wechselberger. Man hätte zumindest parallel Verträge mit Impfstoffherstellern abschließen, Geld in die Hand nehmen und „vorausfinanzieren“ müssen – „zumindest um die ersten Monate zu überbrücken“. Es sei überhaupt nicht einzusehen, warum man bei der Impfstoffbeschaffung „offenbar ans Sparen gedacht hat“, ärgerte sich Wechselberger.
Organisation und Strategie des Impfens in Österreich seien in Ordnung, aber: „Was nützt die beste Strategie, wenn nicht genug Impfstoff vorhanden ist“. Dabei sei das Impfen die „wichtigste, inzwischen dritte Säule“, auf die der meiste Fokus gelegt werden müsse. Nur das Impfen könne die Pandemie beenden. Strategien wie Containment, Lockdown, individuelle Schutzmaßnahmen und Testen habe man schließlich bereits vergangenes Frühjahr gehabt. Vergangene Woche habe er, als die Debatte über die Tirol-Maßnahmen am Höhepunkt war, hingegen leider ein „Déjà-vu-Erlebnis“ gehabt. „Das kann es doch nicht sein“, meinte Wechselberger. (APA/red)