Österreichs Ärzte sind zunehmend der Ansicht, dass die Maßnahmen der Regierung zu weit gehen. Gleichzeitig sinkt die Zustimmung zum Krisenmanagement der Regierung. RELATUS-MED hat die User des Online-Dienstes zu ihrer Einschätzung befragt – das Ergebnis überrascht.
Die Onlineumfrage ist eine Momentaufnahme und nicht zwingend repräsentativ, – sie gibt aber ein Bild der Stimmung in der Ärzteschaft – und dieses deutet an, dass das Klima in Sachen Corona-Maßnahmen kippt: Gab es vor einer Woche auf die Frage, ob die Regierung die richtigen Schritte setzt noch 64 % Zustimmung, waren es am Wochenende nur noch 55 %. Ob die Maßnahmen zu weit gehen, beantworteten die User des Online-Dienstes am Wochenende zu 22 % mit „Ja“ – vor einer Woche waren es noch 9 %. Knapp 500 Empfänger des RELATUS-Newsletters hatten sich am Voting beteiligt.
Wie aussagekräftig die Online-Umfrage ist, zeigt sich im Vergleich mit einer aktuellen Umfrage der Ärztekammer, für die das Meinungsforschungsinstitut „Peter Hajek Public Opinion Strategies“ die Situation in den analysiert hat. Abgefragt wurde die Dringlichkeit von Unterstützungen für die Ordinationen. 72 % der befragten Ärzte sorgen sich demnach um fehlende allgemeine Schutzausrüstung. Eine entsprechende RELATUS-Frage kam zu Schluss, dass 71 % der Ärzte der Meinung sind, dass Gesundheitsberufe nicht ausreichend geschützt sind. Allerdings zeigte sich im Zeitraum über eine Woche auch, dass sich die Situation offenbar leicht gebessert hat. Die Zustimmung zur Frage, ob die Ressourcen optimal eingesetzt werden, stieg von 14 % auf 23 %.
Die Bundesregierung hat am Wochenende erste Schritte zur Öffnung angedeutet und gleichzeitig auch erstmals öffentlichen Gegenwind zu spüren bekommen. Der politische Schulterschluss im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Österreich hat ein jähes Ende erfahren. Am Wochenende eskalierte der Streit zwischen Regierung und Opposition wegen zweier Maßnahmen: Der möglicherweise verpflichtenden Verwendung der Corona-App des Roten Kreuzes und einem Oster-Erlass des Gesundheitsministeriums, der Feiern in privaten Haushalten limitiert. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) warnte gleichzeitig vor einem Nachlassen Bemühungen: „Wir haben unsere Ziele absolut noch nicht erreicht. Aber wir sehen, dass wir sie – wenn alle weiter zusammenhalten und mitmachen und konsequent bleiben – erreichen können“, meinte er in einer Pressemitteilung.
Auch der Nothilfekoordinator der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor einem vorschnellen Ende der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie gewarnt. Auch der Wirtschaft sei nicht gedient, wenn Ausgangsbeschränkungen erst aufgehoben und dann wegen erneut stark steigender Fallzahlen wieder eingerichtet werden müssten, sagte Michael Ryan am Freitag in Genf. Zuletzt hatten China, Japan und andere asiatische Länder, nach einem Abflauen der Infektionszahlen wieder Anstiege verzeichnet. „Wir wollen schnellstens aus der Krise herauskommen, aber nur so schnell, wie es verantwortbar und machbar ist“, steht deshalb für Kurz fest. Eine Rückkehr zur Normalität werde jedenfalls schrittweise und behutsam erfolgen und mit Begleitmaßnahmen verbunden sein, so etwa dem Schutz von Risikogruppen und älteren Menschen, dem Tragen von Masken und einem Containment im Sinn einer möglichst breiten Testung und der Isolierung von allfälligen neuen Glutnestern. (rüm)