Umfrageergebnisse stellen der Ausbildung in Lehrpraxen ein gutes Zeugnis aus. In anderen Bereichen sieht die Ärztekammer „dringenden Handlungsbedarf“.
Wie zufrieden sind junge Ärzt:innen mit der postgradualen Ausbildung in Österreich? Diese und zusammenhängende Fragen wurde anhand einer Umfrage im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) gestellt. Ein Rücklauf von 44 Prozent wurde von der ÖÄK als „gut“ beurteilt, die Ergebnisse der Ausbildungsevaluierung gehen aber in eine andere Richtung: „Die ärztliche Ausbildung in Österreich ist okay, aber definitiv nicht gut genug, daher ist dringend Handlungsbedarf gegeben, um konkurrenzfähig zu bleiben“, kommentiert Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer. Insgesamt wurde die Ausbildung seitens der Turnusärzt:innen auf einer sechsstufigen Skala mit 4,51 Punkten bewertet (6 ist ausgezeichnet).
„Die Umfrage zeigt, dass kleinere Abteilungen deutlich besser ausbilden und besser beurteilt wurden – da müssen sich große Abteilungen noch mehr bemühen. Sehr gut beurteilt wurden die Lehrpraxen, eher schlecht dagegen die Basisausbildung und die Vermittlung der evidenzbasierten Medizin“, fasst Mayer zusammen. Am unzufriedensten waren die Befragten mit der Vermittlung der evidenzbasierten Medizin mit nur einem Score von 3,67. Das sei eigentlich einem „Nicht Genügend“ gleichzusetzen, meint Mayer. „Da muss man den jungen Kolleginnen und Kollegen die Zeit geben, dass sie mehr arbeiten unter der Einbeziehung von letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Die meisten Punkte gab es beim Punkt „Betriebskultur“ mit 4,73. Bei den Fächern schnitt die Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am besten ab (4,63), die Basisausbildung (4,16) am schlechtesten. In der Schweiz, wo diese Erhebung schon seit vielen Jahren durchgeführt wird, gaben sich die Auszubildenden im Vergleich zufriedener: So lag die Globalbeurteilung bei 4,77, hinsichtlich der evidenzbasierten Medizin gab es einen Wert von 4,45 und bei der Betriebskultur einen von 4,97.
Daniel von Langen, Vorsitzender des ÖÄK-Bildungsausschusses, stellt aufgrund der Ergebnisse auch die Sinnhaftigkeit der Basisausbildung in Frage. Unzufriedenheit mit der Basisausbildung wäre in der Vergangenheit schon öfter von Seiten der Universitäten verlautbart worden. „Wir müssen mutig sein und ganz konkret drüber nachdenken, Strukturen zu ändern und darüber diskutieren, die Basisausbildung abzuschaffen. Diese ist ein Wettbewerbsnachteil gegenüber unseren Mitbewerbern um die besten Köpfe. In Deutschland und in der Schweiz gibt es die Basisausbildung nicht“, meint von Langen. Und weiter: „Man könnte die praktische Ausbildung im Studium so verfestigen, dass das Klinisch-Praktische-Jahr die Basisausbildung 1:1 ersetzt und wir Letztere eigentlich nicht mehr brauchen. Ziel ist es, eine gemeinsame Strategie mit den Universitäten und Spitalsträgern zu entwickeln.“
Die Evaluationsergebnisse, also in welchen Spitälern und Abteilungen oder Lehrpraxen die Ausbildung am besten ist, sind ab heute auch für Studierende einsehbar – „Das macht Druck auf jene Abteilungen, wo die Ergebnisse schlechter sind“, sagt Mayer. Er sorgt sich um jene Stellen, von denen es null Rücklauf gegeben hätte. Dort sollen Ausbildungsvisitationen stattfinden: Ein Team aus Fach- und Ausbildungsexpert:innen sowie Jurist:innen soll, nach Anmeldung, vor Ort Gespräche führen, um herauszufinden, „was hier los war und ist“.
Stefan Ferenci, erster stellvertretender Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzt:innen, sieht Zeit als wichtigen Faktor für die Verbesserung der ärztlichen Ausbildung. „Die Arbeitgeber in unseren Spitälern müssen endlich jene Bedingungen schaffen, die garantieren, dass eine optimale Ausbildung sowohl für die Lehrenden als auch für die Auszubildenden innerhalb von 40 Stunden Arbeitszeit zu schaffen ist. Die Zeiten, in denen man 80 oder mehr Stunden arbeiten musste und wollte, sind Gott sei Dank vorbei.“ Ferenci unterstreicht auch, dass es mehr Fachärzt:innen brauche, um Ausbildung zu supervidieren und dass sich die ärztliche Ausbildung in einem Umbruch befinde: „Im Spannungsfeld zwischen immer größerer Arbeitsbelastung im klinischen Alltag, zunehmender Spezialisierung in der modernen Medizin und der Forderung der jüngeren Generationen nach einer besseren Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie soll die postgraduelle ärztliche Ausbildung in hoher Qualität stattfinden. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist eine der größten Herausforderungen. Gelingt uns dies nicht, werden wir viele Jungärzt:innen verlieren.“ Abgesehen von mehr Zeit und Ausbildungspersonal könne eine „Entbürokratisierung“ und mehr Digitalisierung dabei helfen, Ausbildungen zu verbessern. Durchgeführt wurde die Umfrage von der Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich (ETH Zürich) unter Projektleiter Michael Siegrist. Die ÖÄK will die Erhebung 2024 wiederholen. „In einigen Jahren sollte es das Ziel sein, dass unsere Ausbildung genauso gut, wenn nicht besser bewertete wird wie in der Schweiz“, sagt Mayer. (kagr/APA)