Zwischen April und Juni haben heuer 65 Prozent der Österreicher angegeben, in den vergangenen sechs Monaten trotz eingeschränkter Gesundheit gearbeitet zu haben. Das ist ein Rekordwert.
Insgesamt gab es in den ersten beiden Quartalen durch die Coronakrise einen noch nie da gewesenen Ausreißer nach oben, berichtet die Arbeiterkammer Oberösterreich. Für den Arbeitsklima-Index der AK werden pro Quartal 1.000 Beschäftigte repräsentativ für ganz Österreich befragt. Im zweiten Halbjahr 2019 war der Anteil jener, die krank in die Arbeit gingen, noch bei knapp unter 40 Prozent gelegen. Im ersten Halbjahr 2020 lag der Wert bei 56 Prozent. Erst seit der heurigen Jahresmitte ist wieder ein deutlicher Rückgang auf 32 Prozent zu bemerken, erläuterten AK-OÖ-Präsident Johann Kalliauer und Reinhard Raml, Geschäftsführer des Instituts für Empirische Sozialforschung (IFES).
Das belege, dass die Beschäftigten in Krisenzeiten eher dazu neigen, erkrankt zu arbeiten. Schon während der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 bis 2010 waren zwischen 37 und 45 Prozent der Beschäftigten krank in die Arbeit gegangen. Seit dem zweiten Halbjahr 2012 habe sich dieser Wert recht konstant bei rund einem Drittel der Beschäftigten eingependelt. Beschäftigte, die trotz Krankheiten arbeiten, leiden laut der Befragung häufig an Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Erschöpfung, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Besonders oft gingen im heurigen Jahr Beschäftigte in den Pflegeberufen und im öffentlichen Dienst sowie Techniker und Büroangestellte trotz gesundheitlicher Probleme ihrer Beschäftigung nach.
„Zeitdruck, Stress, lange Arbeitszeiten und ein schlechtes Verhältnis zum Chef oder Chefin sind der Mix aus Arbeitsbedingungen, der dazu führt, dass die Leute sehr häufig krank arbeiten oder Medikamente nehmen müssen, um ihre Arbeit zu bewältigen“, erläuterte Raml. Drei Viertel aller Arbeitnehmer griffen laut der Befragung seit Jahresbeginn zu Schmerzmitteln, 14 Prozent nahmen Schlaf- und Beruhigungsmittel, rund sechs Prozent leistungssteigernde Substanzen. Beschäftigte, die von zuhause arbeiteten und Kinder zu betreuen hatten, hatten einen häufigeren Medikamentenkonsum als alle anderen Beschäftigten. Sie litten auch öfter unter Erschöpfung, Kopfschmerzen und Verdauungs- oder Atembeschwerden. Auch bei Arbeitslosen fiel der höhere Medikamentenkonsum im Vergleich zu aktiven Beschäftigten auf – insbesondere bei den Beruhigungsmitteln. „Auf Dauer kann es nicht gut gehen, dass die Menschen krank zur Arbeit gehen oder sich mit Medikamenten vollpumpen, um den Arbeitsalltag zu bewältigen“, sagte Kalliauer. „Wer krank ist oder Krankheitssymptome aufweist, soll daheimbleiben – zum eigenen Schutz und zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen“, so der AK-OÖ-Präsident. (red)