Beim aktuell stattfindenden European Health Forum in Bad Hofgastein warnen Expert:innen vor den Auswirkungen von Gesundheitskrisen.
„Das Risiko alles zu verlieren war noch nie so groß“, meinte Maltas Gesundheitsminister Christopher Fearne im Rahmen des European Health Forums (EHFG), das derzeit in Bad Hofgastein stattfindet. Als besonders besorgniserregend sieht er die Personalkrise und dass beim Zugang zum Gesundheitssystem innerhalb Europas große Unterschiede gibt. Auch WHO-Europadirektor Hans Kluge sprach von einem gegen Katastrophen „nicht mehr so widerstandsfähigen“ Gesundheitssystem in Europa. „Wir können fast mathematisch vorhersagen, wer in der nächsten Krise als erstes sterben wird“, sagte Kluge.
Das seien zunächst Menschen mit mehreren Grunderkrankungen, danach die Jüngsten und Ältesten in der Bevölkerung und dann jene Menschen mit dem schlechtesten Zugang zu Ressourcen. „Zum ersten Mal in der jüngeren Vergangenheit haben wir in den reichsten Ländern unserer Region mehr und mehr Kinder, die am Abend mit leerem Magen ins Bett gehen“, warnte er vor steigender Armut, die auch immer mit schlechterer Gesundheit verbunden wird. Noch zynischer ist in diesem Zusammenhang das am Donnerstag bekanntgewordene Video von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich darin wundert, wie sich manche Eltern keine warme Mahlzeit für ihre Kinder leisten können. Seiner Meinung nach sollen sie doch einfach Essen von der Fastfood-Kette McDonalds kaufen, dort würde ein Burger ja nur 1,40 Euro kosten.
Fast 1,8 Millionen Gesundheitsbedienstete fehlen laut Kluge derzeit in Europa – „und die Zahlen steigen weiterhin“, sagte der WHO-Europadirektor. In manchen Ländern gebe es nur 2,4 Ärzt:innen je 1.000 Einwohner, das sei „mehr als eine Lücke“. Kluge betont, dass es attraktivere Arbeitsbedingungen braucht, um bestehende Mitarbeiter:innen halten und neue finden zu können. Rücksicht auf die Familien und eine gute Ausbildung stünden hier im Mittelpunkt. Der Experte empfahl zudem Unterstützung für die Angestellten durch „neue digitale Werkzeuge“ und die „Rekonfigurierung davon, wie Gesundheitsleistungen angeboten werden“.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sieht dies ähnlich. Sie unterstrich außerdem, dass ein gutes Gesundheitssystem für alle leistbar sein müsse. Ausgaben für das Gesundheitssystem sollten nicht als „Kosten“ gesehen werden, sondern als „Investitionen“, betonte auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bei dem Plenum mit Kyriakides. „Unsere Budgets in Europa und auf nationaler Ebene werden unter Druck kommen.“ Ohne diese Investments würde zwar einerseits Geld gespart, andererseits entsteht dann durch ein ineffizientes Gesundheitsservice „ein dramatisches Volumen an zusätzlichen Ausgaben“, warnte Rauch. Die Generaldirektorin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, Sandra Gallina, hatte bei einer Pressekonferenz zuvor das österreichische Gesundheitssystem im internationalen Vergleich als gutes Beispiel hervorgehoben, aber die hohen Preise, die hierzulande für Medikamente in Spitälern gezahlt würden, kritisiert. In Europa brauche es mehr Investitionen und eine bessere Planung für die Zukunft. Das System müsste widerstandsfähiger werden. Wie auch Kluge und Fearne sprach Gallina außerdem die Bedrohung durch die Klimakrise an und setzte sich für eine „Dekarbonisierung“ der Gesundheitssysteme ein.
Noch bis Freitag kommen beim 26. European Health Forum Gastein europäische Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Gesundheitsbranche zusammen. 550 Teilnehmer:innen sind an Ort und Stelle in Bad Hofgastein registriert, rund 1.000 weitere verfolgen die Diskussionen online. Hauptthema ist die Krise des Gesundheitssystems samt nachwirkender Schockwellen und Erschöpfung des Personals durch die Corona-Pandemie. Themen von Sitzungen sind etwa auch Antibiotikaresistenzen, der Medikamentenengpass und mögliche Warnhinweise auf alkoholischen Getränken in der EU. (red/APA)