Druck aufs Gesundheitspersonal, Sparkonzepte statt Investitionen und jetzt auch „groteske“ Querschüsse: Die Ideen aus den Bundesländern sind teuer und entbehrlich.
Seit einigen Monaten endet dieser wöchentliche Kommentar mit dem ceterum censeo, dass der Föderalismus gesundheitsgefährdend ist. Während der Pandemie haben immer öfters Expert:innen auf die Problematik fehlender Kompetenz in den Bundesländern hingewiesen. Manche sprachen sogar davon, dass der Föderalismus tödlich ist. Auch wenn es vielleicht lästig ist, dass laufend darauf hingewiesen wird, aktuell bestätigt eine neue Debatte genau das: die Länder sind mit Gesundheitspolitik überfordert.
Zur Erinnerung: Grundsätzlich sind in Österreich die Kommunen und Länder für die Spitalsversorgung zuständig und die Sozialversicherung für den ambulanten Bereich. Die Kassen zahlen zudem etwa ein Drittel ihrer Einnahmen pauschal in die Spitalstöpfe, können aber im stationären Bereich nicht mitreden. Das führt zu komplexen Drehtüreffekten in der Patientenversorgung und jahrelangen Debatten über eine Finanzierung aus einer Hand.
Aber für die Länder sind Spitäler nicht nur Kostenfaktor, sondern auch mächtiger Einflussbereich im Personalwesen und Wirtschaftsfaktor aufgrund der Nachfrageleistungen und Investitionen. Weil man sich aber nicht so wirklich mit den Themen auskennt, beschäftigt man laufend externe und teure Berater:innen, die in manchen Ländern fast im Jahresrhythmus neue Reformen aus dem Hut zaubern und letztlich vor allem den Druck auf das Personal erhöhen. Ein Beispiel: die IT ist nicht einheitlich, was etwa die Einspeisung von Corona-Fallzahlen in ein bundesweites Netz erschwert bis verunmöglicht hat.
Jetzt bekommt die Debatte eine neue Dimension nach der jüngsten Forderung des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozils nach einer Abschaffung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die der SPÖ-Landeshauptmann für überflüssig hält. Der Mann ist immerhin höchstpersönlich auch Spitals- und Gesundheitsreferent des Landes und verhandelt damit im Finanzausgleich über die Finanzierung des heimischen Gesundheitswesens. Und er zieht sich nun den Zorn der eigenen Parteigenossen zu. Vor allem die Gewerkschaft ist richtig sauer. Von der mächtigen Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter:innen (FSG) setzt es heftige Kritik: „Landeshauptmann Hans Peter Doskozil überschreitet mit seiner Forderung nach Abschaffung der Selbstverwaltung der sozialen Krankenversicherung eine rote Linie“, erklärte der oberste roten Gewerkschafter, FSG-Chef Rainer Wimmer.
„Wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen für uns, unsere Familien und Pensionisten eine Krankenversicherung, in der die Arbeitnehmer selbst über die Verwendung der von ihnen bezahlten Beiträge bestimmen. Das ist weder Angelegenheit der Wirtschaftskammer noch der Landeshauptleute.“ Die Sozialversicherung sei „ein wesentliches Kernelement des österreichischen Wohlfahrtsstaats und eine zentrale Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung“, zeigte sich Wimmer erzürnt über den Vorschlag aus den eigenen Reihen. Nachsatz: Die Organisation der Sozialversicherung in Form der Selbstverwaltung habe sich jahrzehntelang bewährt und sichere die Unabhängigkeit von staatlicher Verwaltung oder politischen Begehrlichkeiten – „egal ob auf Bundes- oder Landesebene“. Dass sein Parteikollege glaube, die Gesundheitsversorgung des Burgenlands alleine schaffen zu können, sei „ein bisschen grotesk“, sagte der rote ÖGK-Obmann Andreas Huss.
Tatsächlich schielen die Länder auf die Leistungssicherungsrücklagen der Kassen. Die sind übrigens dafür da, im Fall einer Gesundheitskrise wie einer Epidemie, Leistungen aufrechterhalten zu können. Deshalb und aufgrund der aktuellen Debatte bin ich mehr denn je der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)