Eine Studie zum Gender Gap in der Medizin zeigt, dass sich Männer den Frauen angleichen. Zumindest bei den (gesunden) Lebensjahren. Beruflich sieht es anders aus.
Frauen übernehmen sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich nach wie vor die Mehrheit der Pflege- und Care-Arbeit. Wissenschaftler:innen des internationalen Forschungsprojekts „FutureGEN“, das vom Wissenschaftsfonds FWF mitfinanziert wurde, haben sich die Geschlechterunterschiede in Gesundheit und Pflege nun anhand europäischer Datensätze genauer angesehen – auch, was die Lebenserwartung betrifft. Hier zeigt sich, dass Frauen nach wie vor älter werden, aber auch weniger gesunde Lebensjahre haben als Männer.
Laut „FutureGEN“ gleichen sich die Männer aber den Frauen an: Ihre Lebenserwartung steigt, aber auch sie werden kränker. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass Männer heutzutage Krankheiten überleben würden, an denen sie vormals schon deutlich früher gestorben wären. „Wir sind gut darin, Menschen länger am Leben zu erhalten. Wir sind aber nicht gut darin, sie auch gesund zu halten“, stellt Ricardo Rodrigues, der das Projekt am Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien koordiniert, fest. Da zur Untersuchung Datensätze aus verschiedenen Gebieten herangezogen wurden, lassen sich auch regionale Unterschiede feststellen. In Osteuropa fällt auf, dass junge Frauen gesünder seien, als ihre Vorgängergeneration, was möglicher daran liegt, dass dort in den vergangenen Jahrzehnten ein höheres Maß an Geschlechter-Gleichheit in Sachen Einkommen und Bildung entstanden sei, was sich positiv auf die Gesundheit der Frauen ausgewirkt haben könnte. Und auch die Pflegearbeit bleibt laut „FutureGEN“ Frauensache, und dass, obwohl jene Altersgruppe (50-60 Jahre), die meist die Pflege in der Familie übernimmt, einen Anstieg bei der Berufstätigkeit verzeichnet. Männer pflegen meist eher im höheren Alter und wenn es die eigene Partnerin ist. Alles Erkenntnisse, die laut Rodrigues wichtig für die Politik seien, um den zukünftigen Pflegebedarf einschätzen zu können und zu sehen, dass Einsparungen oft auf Kosten von Geschlechtergerechtigkeit gehen.
Unabhängig von „FutureGEN“ veröffentlicht die Ärztekammer jährlich Zahlen zu ihrem Berufsfeld, wo sich ebenfalls Geschlechterunterschiede bemerkbar machen. Was bei den Zahlen für das Jahr 2021 auffällt: Sah es vor ein paar Jahrzehnten noch anders aus, gibt es mittlerweile fast genauso viele Ärztinnen wie Ärzte in Österreich. Bei den Studienanfänger:innen sind es sogar mehr Frauen. Was die Fachrichtungen angeht, so sind Frauen in der Allgemeinmedizin in der Mehrheit, bei den Fachärzt:innen liegen Männer weit vorne. Tatsachen, die oft auf die traditionellen Rollenbilder innerhalb der Familie zurückzuführen sind, wo einerseits Frauen immer noch vermehrt für die Kinderbetreuung zuständig sind und es andererseits in vielen Teilen Österreichs an niederschwelligen Kinderbetreuungsangeboten fehlt. (kagr)