Ohne Lockdowns und verstärkte Hygienemaßnahmen wird es diesen Herbst und Winter höchstwahrscheinlich zu einer stärkeren Grippewelle kommen. Expert:innen raten zur Influenza-Impfung.
Aufgrund unterschiedlichster Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Lockdowns ist eine Grippewelle in den vergangen zwei Jahren nahezu ausgeblieben. Dieses Jahr dürfte sich das ändern, erste Beweise liefert Australien. Dort hat das Ende der Pandemiemaßnahmen dazu geführt, dass die Influenza-Saison schon im April startete – also vergleichbar mit Oktober auf der Nordhalbkugel. „Üblicherweise kann man keine direkten Rückschlüsse von Australien auf Österreich ziehen“, betont Monika Redlberger-Fritz von der Virologie an der MedUni Wien. „Dennoch sehen wir, dass es durch die Hygienemaßnahmen beziehungsweise deren Ende zu Verschiebungen der „typischen“ Influenza-Saison kommen kann. Das müssen wir auch in Österreich genau beobachten.“ Da im Moment auch die Coronazahlen wieder stark ansteigen, wäre eine gleichzeitige Grippewelle eine zusätzliche Belastung für die ohnehin schon massiv belasteten Ärzt:innen und Spitäler. Influenza-Expert:innen des Nationalen Impfgremiums empfehlen deshalb, die Influenza-Impfung vor Beginn der kalten Jahreszeit, im Herbst durchzuführen.
Ein wichtiger Treiber für Infektionen seien Kinder, welche sich in der Schule oder im Kindergarten anstecken und Viren mit nachhause bringen. Da dieses Jahr sowohl die Schulen als auch die Kindergärten regulär öffnen dürfen, sollte man sich laut Expert:innen unbedingt vor einer Grippeinfektion schützen. „Die Kinderimpfung ist ganz besonders wichtig“, erläutert Redlberger-Fritz. „Kinder gelten als Motor der Übertragung. Wenn die Verbreitung der Erkrankung unter den Kindern minimiert werden kann, werden auch viele Ältere indirekt geschützt.“ Modellrechnungen zeigen, dass eine Durchimpfungsrate von 20 Prozent bei Schulkindern zu einem besseren Schutz der über 60-Jährigen führt als die Impfung von 90 Prozent der Senior:innen. „Am besten ist es natürlich, wenn Kinder und Senior:innen geimpft sind“, betont Redlberger-Fritz. Risikogruppen, also beispielsweise Menschen mit chronischen Erkrankungen, Personen mit Übergewicht, Schwangere und alle, die älter als 60 Jahre alt sind, sollten sich auf jeden Fall selbst gegen Influenza impfen lassen. „Da auch SARS-CoV-2 immer noch zirkuliert, und es im Rahmen einer parallel stattfindenden Influenza-Epidemie auch zu Doppelinfektionen mit potenziell schweren Verläufen kommen kann, sollten sich diese Personengruppen unbedingt durch eine doppelte Impfung gegen beide Erreger schützen“, stellt die Virologin klar.
Auch die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) steht hinter dem Impfaufruf. Es sei außerdem sinnvoll, den Beginn der Grippesaison zum Anlass zu nehmen, den individuellen Impfstatus hinsichtlich weiterer respiratorisch übertragbarer Infektionen, welche das ganze Jahr über auftreten können, zu prüfen. So fielen vor der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Kontaktreduktion über Jahre weltweit steigende Fallzahlen von Pertussis (Keuchhusten) auf, welche unter anderem auf fehlende Auffrischungsimpfungen bei Erwachsenen zurückzuführen sind. „Auch wenn es gerade in letzter Zeit oftmals emotionale Impfdebatten gibt – man sollte bedenken, dass Impfungen erwiesenermaßen zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen zählen, und geimpfte Personen seit Jahrzehnten dazu beitragen, unzählige Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern“, mahnt Michael Meilinger vom ÖGP-Arbeitskreis „Infektiologie und Tuberkulose“ am Rande der 46. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) stand unter dem Motto „Prävention in der Pneumologie“. (kagr)