Was Blau/Schwarz für Gesundheit bedeutet

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Die ÖVP könnte die FPÖ zur Kanzlerpartei machen. Das könnte für das Gesundheitswesen in mehreren Bereichen eine Zäsur bedeuten.

Nachdem die ÖVP am Wochenende damit gescheitert ist, eine Dreierkoalition mit SPÖ und NEOS zu bilden, hat nun die FPÖ hat den Auftrag erhalten, eine Regierung zu bilden. Sie bietet der ÖVP Verhandlungen an und droht gleichzeitig mit Neuwahlen, bei denen sie zumindest nach den aktuellen Umfragen gute Karten hätte. Die ÖVP hat ihre Karten mit dem Nein der NEOS und dem eigenen Nein zur SPÖ aus der Hand gegeben. Die drei Parteien suchen noch den Schuldigen, während sich das Karussell weiterdreht. Viel wird dieser Tage diskutiert, welche Zugeständnisse die FPÖ der ÖVP abringen wird. Der dortige Wirtschaftsflügel hofft zumindest auf ein Konjunkturpaket und dass dies bei den kommenden Wirtschaftskammerwahlen goutiert wird.

Denn dort liegt die aktuelle Sorge der ÖVP an Einfluss zu verlieren. Zwar ist die Kammer tiefschwarz, doch bei der Steiermarkwahlen zeigten sich große Risse. Wähler:innen-Analysen zeigten, dass die FPÖ bei Selbstständigen mit 37 Prozent einen Prozentpunkt vor der ÖVP lagen. Tritt dieses Szenario auch bei den Kammerwahlen ein, könnte sich nicht nur die Wirtschaftskammer umfärben, sondern auch die Sozialversicherung. Dort hat die FPÖ zuletzt bei den Arbeiterkammerwahlen nämlich ein Mandat von sechs auf der Arbeitnehmer:innenseite gewonnen. Überholt sie im März den Wirtschaftsbund, gäbe es möglicherweise ein Patt zwischen Rot, Blau und Schwarz mit jeweils vier Mandaten.

Was das inhaltlich bedeutet ist offen. Die letzten zwei Regierungsbeteiligungen der FPÖ brachten jeweils Sozialversicherungsreformen, Senkungen der Kassenbeiträge und 2002 auch eine Ambulanzgebühr. In Gesundheitsfragen hat die FPÖ in den vergangenen Jahren vor allem mit Kritik an Coronamaßnahmen auf sich aufmerksam gemacht und Teile der FPÖ kritisierten Impfungen und Pharmaindustrie. Allerdings war es auch die FPÖ, die 2020 zu Beginn der Pandemie als erste Partei einen Lockdown gefordert hat. Im RELATUS-Interview vor der Nationalratswahl forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl die Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand, eine Erweiterung und Neufassung der Kompetenzen der Gesundheitsberufe und eine Attraktivierung der Gesundheitsberufe, von den Ärzt:innen bis zur Pflege. Konkret: „Entbürokratisierung, Entlastung, leistungsorientiertes Anreizsystem bei der Bezahlung und eine dauerhafte finanzielle Absicherung dieses Reformpfades.“ Durchaus denkbar, dass sich durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ tatsächlich ein Fester für eine Finanzierung aus einer Hand auftut – immerhin regiert sie bereits in fünf Bundesländern mit der ÖVP, die bisher auf Länderebene bisher immer gebremst hat.

Umgekehrt sorgen sich Mediziner:innen und die Pharmaindustrie vor wissenschaftskritischen Kräften in der FPÖ. Wichtige Forschungsinstitute leben zum Teil von öffentlichen Förderungen. Von den Universitäten gar nicht zu reden. Welches Verhalten da von einer künftigen Regierung zu erwarten ist, ist unklar. Die ÖVP wiederum hat zuletzt versucht, das Thema Prävention stärker in die Gesundheitsdebatte zu bringen. Durchaus denkbar, dass man hier mit der FPÖ auf einen grünen Zweig kommt. In jedem Fall bleibt abzuwarten, ob Gesundheitsfragen eine ähnlich zentrale Rolle spielen werden, wie sie das auch bei den Wähler:innen getan haben. (rüm)