Die Gesundheitsausgaben sind zuletzt gesunken. Das setzt alle Akteur:innen im System unter Druck und verschlechtert die Versorgung. Dazu kommen Streitigkeiten zwischen allen Finanziers.
Die Österreichische Gesundheitskasse hat im Vorjahr einen Bilanzverlust von fast 400 Millionen Euro vermeldet. Verantwortlich macht die Krankenversicherung nicht zuletzt den Spitalsbereich, für den man einen pauschalierten Teil der eigenen Einnahmen zahlen muss. 5,2 Milliarden Euro zahlt die ÖGK jährlich an Spitäler, das sind 28 Prozent des Gesamtbudgets. In der Diktion der ÖGK liest sich das so: „Jahr für Jahr muss die ÖGK zusätzlich 500 Millionen Euro mehr für den Spitalsbereich aufbringen – ohne dabei Mitspracherecht zu haben, wie und wofür diese Mittel verwendet werden. Im Zuge des Finanzausgleichs erhält die ÖGK hingegen 240 Millionen Euro, die vor allem für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs vorgesehen sind.“
Die duale Finanzierung zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich ist nicht neu. Die Debatte darüber auch nicht. Beim jüngsten Finanzausgleich wurde versucht, hier gegenzusteuern. Doch die Bundesländer bremsten lange. Mehr Geld „Ja“, mehr Kontrolle und Abstimmung „Nein.“ Der Gesundheitsminister hat hier wenig mitzureden. Doch was macht die Finanzierung des Gesundheitssystems so schwer?
Die Antwort liefern die Zahlen: Zuletzt hat die Statistik Austria gemeldet, dass die Gesundheitsausgaben 2022 um 4,8 Prozent auf 52,280 Milliarden Euro gestiegen sind. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben legten mit 40,333 Milliarden Euro um 4,22 Prozent zu und damit etwas weniger. Der öffentliche Anteil an den laufenden Gesundheitsausgaben sank damit um 0,4 Prozentpunkte auf 77,1 Prozent. Doch gleichzeitig lag die rollierende Inflationsrate für das Jahr 2022 bei 8,6 Prozent. Unter dem Strich stand also deutlich weniger Geld für Gesundheit zur Verfügung. Und das bei steigenden Kosten und Anforderungen. Die Zahl älterer Menschen steigt stetig und damit der Bedarf an Versorgung. Gleichzeitig steigen im System die Kosten: für Personal, für Energie, für Mieten und für Zinsen für Investitionen.
Anders formuliert: Es reicht nicht. 40,333 Milliarden an öffentlichen Mitteln ist viel Geld. Es ist in absoluten Zahlen ein Rekord. Doch es deckt nicht den Bedarf. Die Folge sind Verteilungskämpfe zwischen den Stakeholdern. Jeder argumentiert, warum sein Bereich der wichtigste ist: Ohne Preissteigerungen für Medikamente drohen Lieferengpässe und die Abwanderung der Industrie, sagt die Industrie. Ohne mehr Geld für die Spitäler müssen Betten gesperrt und Stationen geschlossen werden, sagen die Spitalsträger. Ohne mehr Geld für die Krankenversicherung lässt sich der niedergelassene Bereich nicht ausbauen, sagen die Krankenversicherungen. Ohne mehr Geld für ärztliche Leistungen, werden diese öffentlich immer weniger angeboten und Ärzt:innen wandern ins Ausland oder in den Privatbereich, sagen Ärztevertreter:innen. Ohne mehr Geld für die Pflege, droht eine noch größere Pflegekrise, sagen Pflegevertreter:innen. Die Liste lässt sich fast endlos fortsetzten. Wer lauter schreit und politisch besser vernetzt ist, hat bessere Chancen, ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen.
Um es gleich klar zu sagen: Es wird nie ausreichend Geld für die Gesundheitsversorgung verfügbar sein. Denn während die öffentlichen Mittel insgesamt begrenzt sind, ist die Nachfrage nahezu unendlich. Was Gesundheit verspricht, wird nachgefragt. Gesundheitsversorgung ist also immer Mangelverwaltung. Und das bedeutet, dass die öffentliche Hand Wege sucht, die Gelder möglichst effizient einzusetzen und zwar so, dass sie den größten Nutzen bringen. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter und sorgt nahezu immer für Debatten. Und dabei bestimmt der Standort den Standpunkt: Wann ist eine Million mehr wert: bei präventiven Krebsimpfungen, die das Erkrankungsrisiko senken oder bei einer Krebstherapie, die Leben verlängert? Je nachdem, wie stark man selbst betroffen ist, wird die Antwort wohl anders ausfallen.
Gleichzeitig werden wir aber ohne zusätzliche Mittel im System nicht auskommen. Die demographische Entwicklung und der medizinisch-technologisch Fortschritt lassen die Kosten steigen. Wenn das nicht auf Kosten der Beschäftigten und der Patient:innen gehen soll, ist die kommende Regierung gut beraten, im Gesundheitswesen nicht zu sparen, sondern den Gürtel lockerer zu schnallen. (rüm)