Was wirklich im neuen WHO-Pandemievertrag steht

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Die WHO-Mitgliedsländer haben einen lange diskutierten Pandemievertrag fixiert. Doch es gibt Kritiker:innen, die hinter der WHO sogar eine geheime Weltregierung vermuten. Was wirklich im Vertrag steht.

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedsstaaten auf einen Pandemie-Vertrag geeinigt, mit dem die Welt besser auf Gesundheitskrisen vorbereitet werden soll. Nach gut drei Jahren Verhandlungen und zuletzt nächtelangen Diskussionen in Genf stimmten die Unterhändler:innen einem Vertragstext zu. Er soll beim Jahrestreffen der 194 Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation im Mai in Genf verabschiedet werden. Der rechtsverbindliche Pakt soll die Welt besser auf den Kampf gegen neue Krankheitserreger vorbereiten. Doch vor allem Rechtspopulisten machen dagegen und gegen die WHO generell mobil. Die WHO sei eine geheime Weltregierung, die Menschen und Staaten Politik vorgebe, sagen sie. Man könnte das als Verschwörungstheorien abtun, doch nach einem entsprechenden Dekret von US-Präsident Donald Trump hat nun auch Argentiniens rechtspopulistischer Staatschef Javier Milei den Austritt aus der WHO verkündet. Argentinien werde keinen Eingriff „in unsere Souveränität“ zulassen, teilte er mit. Das gefährdet die Arbeit der WHO.

Was also ist dran am Mythos und was steht im Pandemievertrag? In letzterem geht es um Prävention, Lieferketten, Forschung und Entwicklung, Technologietransfer und Solidarität. Die Länder verpflichten sich, ihre Gesundheitssysteme und die Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden. Den Europäern war es ein Anliegen, dass auch Antibiotika-Resistenzen bekämpft werden. Was im Falle einer Pandemie gebraucht und geliefert wird, soll für alle Länder gleichermaßen zugänglich sein. Gesundheitspersonal soll zuerst versorgt werden. Wichtige Informationen wie die DNA-Sequenz über Pathogene sollen frei ausgetauscht werden, damit Medikamente und Impfstoffe entwickelt werden können. Im Gegenzug sollen Pharmaunternehmen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion als Spende zur Verteilung in ärmeren Ländern abtreten. Weitere Produktionsanteile sollen zumindest günstig zur Verfügung gestellt werden. Firmen sollen ihr Know-how zur Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen teilen, auch um Produktionen in anderen Ländern zu ermöglichen.

Woher also kommt die Kritik und warum lohnt es sich, sich damit auseinander zu setzen? Weil sich hier der Kern von Verschwörungstherorien im Gesundheitsbereich zeigt. Für solche Mythen gibt es seit der Corona-Pandemie ein neues Zielpublikum für rechtspopulistische Parteien. Man kann die Verunsicherung von Menschen ausnutzen und hat mit Viren einen unsichtbaren Gegner, der so der Gedanke, möglicherweise von „den Mächtigen“ nur ausgenutzt wird. Verschwörungsmythen, die von rechtspopulistischen Parteien bedient werden, haben einen gemeinsamen Nenner: Sie wenden sich gegen ein sogenanntes System, das sich angeblich gegen die Interessen der Mehrheitsbevölkerung richtet. Die Politik, die Wirtschaft und die Wissenschaft – alle stecken unter einer Decke, sind ein Marionettentheater und müssen ausgetauscht werden. Die Alternative speist sich aus Falschinformationen oder Verschwörungsideen. Egal ob es um Migration, Covid, Klimawandel, Russland und den Angriffskrieg in der Ukraine geht.

Im Jänner 2024 wetterte FPÖ-Chef Kickl im Rahmen einer Buchpräsentation, dass es der WHO in Wahrheit nur darum gehe, unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes ihre Pläne von einem neuen Menschen umsetzen zu wollen. Der Vertrag sei eine Gefahr für die individuellen Rechte, selbst über seinen Körper bestimmen zu können und ein drohender Anschag auf die nationale Souveränität, kritisiert die FPÖ. Der Vertrag führe zu einem Überwachungssystem, wie es in China bestehe. Das hat durchaus System: Rechtspopulisten nutzen die Angst und Unsicherheit, die Pandemien hervorrufen, um ihre politischen Botschaften zu verstärken und Misstrauen gegenüber Regierungen und Institutionen zu schüren.

Oftmals stellen sie offizielle Gesundheitsrichtlinien in Frage und propagieren alternative Ansichten, um sich als Stimme des „gesunden Menschenverstands“ und der „gewohnten Normalität“ zu positionieren. Der Bevölkerungsmehrheit werden Tugenden und Werte zugeschrieben, wie Anständigkeit oder Ehrlichkeit sowie Natürlichkeit und körpereigene Abwehrmechanismen, um ein Bild zu schaffen, mit dem sich die Menschen identifizieren können. Rechtspopulisten inszenieren sich dann als Anwälte des Volkes sowie seiner Interessen gegenüber der politischen Klasse und geben sich als Kämpfer für Freiheit und Volkswillen.

Nun könnte man das als Schwublerei abtun, wie es der selbsternannte WHO-Gegner, der FPÖ-Europaabgeordnete Gerald Hauser, in seinem Buch „Und die Schwurbler hatten doch recht“ selbst benennt, allerdings wird mit der Kritik auch versucht ein anderes Narrativ zu schaffen. Was nicht der eigenen Meinung ist, wird mit dem Negativbild der politischen Klasse assoziiert, die als korrumpiert, volksfern und egoistisch dargestellt wird. Wohin das führt, kann man derzeit in den USA beobachten. US-Präsident Donald Trump, der der WHO vorwirft, unter dem Einfluss Chinas zu stehen, führt einen Feldzug gegen die Wissenschaft und Kritiker:innen. Dabei wird vor allem der Entzug finanzieller Mittel als Druckmittel eingesetzt – gegen die WHO, wie auch gegen Universitäten. Am Dienstag haben deshalb mehr als 100 Universitäten, Colleges und Wissenschaftsorganisationen eine gemeinsame Erklärung gegen den Umgang von Trump mit den akademischen Einrichtungen des Landes veröffentlicht. In der Erklärung mit dem Titel „A Call for Constructive Engagement“ werden Trumps Regierung „beispiellose Übergriffe und politische Einmischung“ vorgeworfen. (rüm)