Weiter Streit über erwartetes Minus der Gesundheitskasse

© ÖGK

Die mit Zuversicht gestarteten Verhandlungen um finanzielle Coronahilfen für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sind ins Stocken geraten. Bis zum Wochenende hätte man sich auf die Zahlenbasis einigen sollen. Es gibt aber weiter Uneinigkeit.

Die ÖGK hatte im August – wie von Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) gefordert – in einer Gebarungsvorschau einen Verlust von 447 Mio. € für 2020 errechnet. Über die Höhe eines Zuschusses durch den Bund wurden dann in den vergangenen Tagen Gespräche mit dem Sozialministerium und Finanzministerium geführt. „Das Finanzministerium behauptet, unsere Zahlen stimmen nicht“, sagt nun ÖGK-Obmann Andreas Huss (SPÖ). Eigene Berechnungen habe das Ministerium nicht geliefert, die bisherigen Expertengesprächsrunden aber offensichtlich mit Verhandlungen verwechselt, kritisierte der ÖGK-Obmann.

„Das ist insofern ein bisschen eigenartig, weil ich nicht mit dem Bund verhandeln will, wie viel Geld ich bekomme. Sondern es ist die Aufgabe festzustellen, wie hoch die coronabedingten Mindereinnahmen 2020 sind, und dieses Minus soll der Bund zur Gänze ersetzen“, sagte Huss, der auch auf eine entsprechende im Parlament verabschiedete Entschließung sowie auf Aussagen Anschobers verwies. Dieser hatte im August nach einer ersten politischen Runde einen dreistelligen Millionenbetrag und Finanzhilfen auch für 2021 und 2022 in Aussicht gestellt. Den von Huss gewünschten kompletten Kostenersatz hatte er allerdings – ebenso wie die ÖVP – offengelassen.

Huss schlägt nun eine neue Vorgangsweise vor, da man auf Expertenebene auf keinen Nenner gekommen sei: „Warten wir bis Jahresende, dann picken die Zahlen, und dann brauch ich nicht mehr verhandeln.“ Die Überbrückung bis dahin schaffe man, die ÖGK verfüge über Rücklagen im Ausmaß von 1,3 Milliarden Euro. Im Finanzministerium bat man auf APA-Anfrage um Verständnis, dass man die „sehr konstruktiven Verhandlungen“ nicht kommentieren wolle. „Klar ist, dass ein Zuschuss des Bundes außer Zweifel steht und dass dafür seitens der ÖGK Finanz- und Gesundheitsziele definiert werden“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die nächste politische Verhandlungsrunde im Sozialministerium ist für Mittwoch angesetzt. Mit den angesprochenen Gesundheitszielen hat Huss kein Problem, plant man doch selbst den Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung. Gereizter reagierte er bei den Finanzzielen. „Wie viel Geld wir ausgeben oder einsparen müssen, das lasse ich mir als Selbstverwaltung vom Bund sicher nicht ausrichten“, sagte der ÖGK-Obmann: „Selbstverwaltung ist Selbstverwaltung. Die lässt sich nicht unter Kuratel stellen.“

Die Kritik von Huss schlug umgehend hohe Wellen in Sozialversicherungskreisen. ÖVP-Funktionär Peter Lehner, Chef der Selbstständigen-Kasse SVS, kritisierte das „laute Poltern“, während sich SP-Gewerkschafterin Barbara Teiber hinter Huss stellte. ÖGK-Co-Obmann Matthias Krenn bemühte sich um Deeskalation. Huss rufe stets laut nach Geld, sagte Lehner, derzeit Vize-Chef des Sozialversicherungsdachverbands. „Huss missbraucht die ÖGK für seine parteipolitischen Interessen, denn solange keine Kostenwahrheit besteht, kann man auch keine seriösen Verhandlungen führen“, meinte er in einer Pressemitteilung. Es sei kein Geheimnis, dass man derzeit die echten Corona-Kosten nicht ausreichend abschätzen könne, verwies Lehner auf die schwer prognostizierbare wirtschaftliche Lage und eine mögliche Insolvenzwelle. Teiber wollte dies nicht gelten lassen und kritisierte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Dieser solle den von ihm vorgeschlagenen Finanzführerschein am besten selbst machen, wenn er die vorgelegten Verlustzahlen bezweifle. „Wer rechnen kann, für den ist die Gebarungsvorschau der ÖGK jedenfalls nachvollziehbar“, meinte sie in einer Aussendung. Matthias Krenn (FPÖ), in diesem Halbjahr Vize-Obmann der ÖGK, versuchte zu beruhigen. Es gebe nach wie vor konstruktive Gespräche mit dem Finanzministerium. „Man sollte sich alle Zeit der Welt nehmen, um ein vernünftiges Ergebnis für beide Seiten zu erzielen“, betonte er. Der politische Verhandlungstermin am 9. September werde jedenfalls halten. (red/APA)

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