Während allgemeine Selbstbehalte politisch kaum gewollt sind, gibt es zahlreiche versteckte Selbstbeteiligungen im Gesundheitswesen. Und die treffen meist die falschen.
Einzelne Haushalte in Österreich sind durch Selbstbeteiligungen wirtschaftlich stark belastet, zeigt eine neue vom Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführte Erhebung im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). IHS-Forscher Thomas Czypionka ortet eine Zunahme der privaten Gesundheitsausgaben und fordert eine „Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems“. Als Beispiel dafür nennt auch er eine Ausweitung der Rezeptgebührenobergrenze. Einzelne Haushalte sowie Patient:innen mit besonders komplexen Erkrankungen seien dadurch besonders benachteiligt. „Bei ihnen agglomerieren sich die Selbstbehalte“, sagt Czypionka. Die Folge: Die Gefahr, durch Krankheit zu verarmen, hat sich in Österreich zwischen 2010 und 2020 verdoppelt.
Generell zeigen alle Untersuchungen zum Thema Selbstbehalte, dass diese vor allem die Compliance verschlechtern. Und das steigert letztlich die Gesundheitsausgaben, wenn Menschen später zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Nicht zuletzt deshalb raten die meisten Gesundheitsökonom:innen von Selbstbehalten ab. Versuche der Politik wiederum sind meist an wahltaktischen Überlegungen gescheitert. Doch statt über Sinn- und Unsinn und mögliche Wirkungen von Selbstbehalten zu reden, sollten wir vor allem über die generelle Situation im Gesundheitswesen sprechen.
Die sozialen Krankenversicherungen haben ein Kernziel: Sie sollen Menschen vor den Kosten für eine Krankenbehandlung schützen und kranken Menschen zumindest eine Basisversorgung kostenlos garantieren. Doch genau das tun sie offenbar immer weniger. Das frustriert auch die Beschäftigten im System und erhöht den Druck. Die langen Wartezeiten auf Termine bei Fachärzt:innen und auf Operationen belasten etwa mehr und mehr Menschen in Oberösterreich. Das zeigt eine neue IFES-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich, die am Dienstag vorgestellt worden ist. „Die Menschen spüren von der versprochenen Gesundheitsreform nichts. Es müssen jetzt Taten folgen, um die Situation für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Patienten, Patientinnen und Beschäftigte zu verbessern“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl. Dem ist nichts hinzuzufügen. (rüm)