Wie Botox gegen Schmerzen helfen könnte

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Forschende haben herausgefunden, wie genau Botox in die Nervenzellen eindringt. Dadurch könnte das Nervengift in Zukunft gezielt in der Schmerztherapie eingesetzt werden. 

Forschende des Zentrums für Life Sciences am Paul Scherrer Institut PSI in der Schweiz haben erstmals jene Strukturveränderungen von Botulinum Neurotoxin, kurz Botox, aufgeklärt, von denen man vermutet, dass sie beim Eindringen in die Nervenzelle entscheidend sind. Dadurch könnte die lähmende Wirkung dieses potenten Nervengifts in Zukunft gezielter und umfassender therapeutisch etwa in der Schmerztherapie eingesetzt werden. Bisher war nicht bekannt, wie das Toxin in seiner vollen Länge aussieht, wenn es an den Rezeptor der Nervenzelle gebunden ist. Unter den Forschungsgruppen, die am gleichen Thema arbeiten, ist das PSI-Team weltweit das erste, das Strukturdaten des Toxins in seiner vollen Länge und im Komplex mit dem Rezeptor vor der Translokation liefert. „Damit haben wir jetzt eine viel realistischere Vorstellung von den entscheidenden Mechanismen der Translokation“, sagte Richard Kammerer vom PSI-Zentrum für Life Sciences. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen. 

In der Studie haben die Forschenden in einem sogenannten Kryo-Elektronenmikroskop Proben des Neurotoxins allein und mit dem Rezeptor untersucht. Bei der Kryo-Elektronenmikroskopie werden die Proben auf minus 160 Grad schockgefroren, ohne dass sich dabei Eiskristalle bilden. Die Forschenden bestimmten auf diese Weise sowohl die Struktur des gesamten Toxins für sich allein als auch die Struktur des Molekülkomplexes im Verbund mit dem Rezeptor. Sie taten dies bei niedrigen und neutralen pH-Werten, wie sie im sogenannten synaptischen Vesikel herrschen. Nach dem Andocken des Toxins an den Rezeptor nimmt dieses bläschenartige Zellorganell das Toxin in sich auf und transportiert es ins Zellinnere. 

Wie sich zeigte, ist der daraufhin sinkende pH-Wert des „reifenden“ Vesikels entscheidend für den Transport des Toxins vom Vesikel über dessen Membran ins Zytosol – das ist der Teil der Zelle, in dem die meisten biochemischen Reaktionen stattfinden und wo auch das Toxin seine Wirkung entfaltet. „Bei niedrigem pH-Wert um die 5,5 verbiegt sich das Toxin von seiner üblicherweise länglichen, offenen in eine kugelförmige, kompakte Form“, berichtete Volodymyr Korkhov, ebenfalls vom PSI. Dadurch geraten die entscheidenden Domänen des Proteins in die Nähe der Vesikelmembran. „Bei neutralem pH-Wert von um die 7 sind sie dagegen in der länglichen Form für eine Interaktion zu weit weg von der Membran.“ Die sogenannte Translokation des Toxins vom Vesikelinneren ins Zytosol der Zelle kann dann nicht stattfinden.

Bis man die Mechanismen in Gänze entschlüsselt habe, seien jedoch noch weitere Studien nötig. „Aber mit der jetzt veröffentlichten Studie haben wir schon einen wichtigen Schritt getan, der helfen könnte, Botulinum Neurotoxin demnächst noch viel effektiver zum Beispiel bei der Behandlung von Schmerzen einzusetzen“, betonte Kammerer. (red)
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