Wenn Medikamente bei der Therapie chronischer Schmerzen nicht ausreichend wirken, kann Neurostimulation helfen. Zehn österreichische Expertinnen und Experten haben Empfehlungen zum Einsatz der elektrischen Nervenstimulation zusammengefasst und publiziert.
Neurostimulation oder Spinal Cord Stimulation (SCS) ist ein invasives Verfahren zur Bekämpfung chronischer Schmerzen. „Inzwischen gibt es eine Vielfalt an elektrischen Stimulationsverfahren, die den Patientinnen und Patienten oft eine bemerkenswerte Schmerzlinderung bringen und ihre Lebensqualität deutlich verbessern“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner, Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der Österreichischen Schmerzwochen der ÖSG. Die Fachgesellschaft informiert seit 20 Jahren im Rahmen ihrer Schmerzwochen über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin. Ungeachtet der guten Ergebnisse habe Neurostimulation in der therapeutischen Praxis oft nicht die Bedeutung, die sie verdient. Eine interdisziplinäre Gruppe von Expertinnen und Experten hat nun ein Positionspapier erstellt, das einen Überblick über gängige Verfahren bietet und Empfehlungen gibt, wann und wie Neurostimulation angewendet werden sollte.
An nichtdestruktiven Neurostimulationsverfahren stehen die epidurale Rückenmarkstimulation (Spinal Cord Stimulation, SCS), die Spinalganglionstimulation (DRG), die periphere Nervenstimulation (PNS) oder die subkutane Nervenstimulation (SCNS) zur Verfügung. „Alle können bei Patientinnen und Patienten mit konservativ nicht kontrollierbaren, chronischen, hauptsächlich neuropathischen Schmerzen eine gute Lösung darstellen. Sie sollten in der Schmerztherapie den gleichen Stellenwert einnehmen wie Opioide“, sagt Eisner. In Österreich am häufigsten verwendet und am besten erforscht ist die epidurale Rückenmarkstimulation (SCS). Der Großteil der Empfehlungen der Expertengruppe bezieht sich daher auf dieses Verfahren. Eine Studie zeigte, dass SCS bei über 70 Prozent der Patienten mit schwer behandelbaren chronischen Rückenschmerzen zu einer deutlichen und anhaltenden Schmerzreduktion führte.
Die elektrischen invasiven Neurostimulationsverfahren kommen für Patienten in Frage, bei denen zweifelsfrei chronischer Schmerz diagnostiziert wurde. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Patienten bereit sind, an dieser therapeutischen Maßnahme aktiv mitzuwirken und die richtige Bedienung des zu implantierenden Geräts verstehen können. Bewährt hat sich die Patientenaufklärung, um Gespräche mit Personen zu ergänzen, die bereits mit einem implantierten Stimulationssystem leben. „Es muss auch klar gemacht werden, dass mit der Neurostimulation nicht mehrere unterschiedliche Schmerzformen gleichzeitig behandelt werden können und eine Rückkehr ins Erwerbsleben nur je nach Wirkung der Therapie möglich ist“, betont Eisner. Wichtig sei zudem, vor der Implantation die Patientenhoffnungen mit den tatsächlich zu erwartenden Effekten abzugleichen.
Das generelle Ziel einer elektrischen Neurostimulation ist, die Schmerzen um mindestens 50 Prozent zu lindern. Aber auch andere Aspekte sollten in die Erfolgsmessung einfließen, etwa ob sich eine bestehende Allodynie, bewegungseinschränkende Schmerzen oder die Schlafqualität bessern oder weniger Schmerzmedikamente nötig sind. Die Neurostimulation sollte auch mit einer klar strukturierten Nachsorge verbunden sein. „Das kann etwa im Rahmen von spezifischen ‚SCS-Sprechstunden‘ oder einem ‚Stammtisch‘ zwischen Behandlern und Implantatträgern umgesetzt werden“, so Eisner. (red)