Auf eine Erweiterung seiner Kapazitäten im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie – sowohl stationär als auch ambulant – will der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) zukünftig setzen. So sollen ab Herbst in der Klinik Floridsdorf (Krankenhaus Nord) 24 stationäre Behandlungsplätze zur Verfügung stehen, sagte KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb bei einem Hintergrundgespräch in Wien.
Insgesamt verfügt der KAV derzeit über 79 Betten und 14 tagesklinische Plätze für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung. Bis Ende des Jahres sollen es dann 124 sein. Zu den ersten angebotenen Leistungen des neuen Hauses in Wien-Floridsdorf zählte eine kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz mit Tagesklinik, betonte Kölldorfer-Leitgeb. Im Vergleich zum Vorjahr habe es einen Zuwachs von 40 Prozent im stationären und 75 Prozent im tagesklinischen Bereich gegeben.
Im Rahmen des Psychiatrischen und Psychosomatischen Versorgungsplans Wien 2030 (PPV) wurden in den vergangenen zwölf Monaten bereits mehrere Maßnahmen umgesetzt, berichtete die Generaldirektorin, unter anderem die Eröffnung einer Station mit Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene im Krankenhaus Hietzing mit 15 stationären Plätzen. Im März startete der Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH, wo es ab Frühling 2020 dann 30 stationäre Betten sowie zehn für die tagesklinische Betreuung geben soll. In Planung befindet sich außerdem die Einrichtung einer Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien-Favoriten. Noch heuer sollen die Psychosozialen Dienste ihr zweites kinder- und jugendpsychiatrisches Ambulatorium mit Tagesklinik in Wien eröffnen.
Der Bedarf ist hoch: “Insgesamt weisen etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten auf”, erklärte Ralf Gößler, Vorstand der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Klinik Floridsdorf. Bei rund zehn Prozent bestehe psychiatrischer bzw. psychologischer Handlungsbedarf. In den vergangenen 15 Jahren sei außerdem ein Anstieg an Betroffenen zu verzeichnen gewesen. “Die Sensibilisierung ist größer geworden, Krankheiten werden als solche erkannt”, begründete Gößler. Auch Wien als Großstadt stelle einen Stressfaktor für Kinder und Jugendliche dar. Genauso wie auch die Schule, denn während des Schuljahrs sei der Bedarf viel höher als in den Ferien.
Eine noch größere Herausforderung als in den baulichen Maßnahmen besteht laut KAV hinsichtlich personeller Ressourcen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im gesamten deutschsprachigen Raum fehlen in diesem Bereich Fachärzte. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie sei ein Mangelfach, waren sich die Experten einig, auch von der Ärztekammer werde sie als solches definiert. Die Rekrutierung gestalte sich entsprechend schwierig, sagte Michael Binder, der medizinische Direktor des KAV. In der Klinik Floridsdorf fehlen derzeit drei Fachärzte, die aber bis zum Herbst gefunden sein sollen – die Rekrutierung laufe, versicherte auch Kölldorfer-Leitgeb. (APA)