In den kommenden Wochen ist RELATUS MED in den Bundesländern unterwegs und fragt, welche Herausforderungen es jeweils im ärztlichen Bereich gibt und wie versucht wird, ihnen zu begegnen.
Burkhard Walla, Präsident der Ärztekammer Vorarlberg, spricht im RELATUS-Ländertour-Interview, über Vorarlberger Besonderheiten und Lösungsansätze, die auch bundesweit Schule machen könnten.
Sie wurden im Vorjahr zum neuen Präsidenten der Vorarlberger Ärztekammer gewählt. Aktuell wird viel über Versorgungssicherheit und Personalmangel geredet. Wie stellt sich die Lage in Vorarlberg dar? Die Versorgung im Gesundheitswesen zu sichern, bedeutet, dass es genügend Arbeitskräfte braucht, die verfügbar sind und dazu braucht es Rahmenbedingungen, dass die Menschen mittel- und langfristig auch im System bleiben. Das gilt für Kassenverträge aber auch in den Krankenhäusern.
Und wie kann das funktionieren? Es bedeutet die Arbeitsbedingungen so zu optimieren, dass es auch zum Wertesystemen der jungen Kolleg:innen passt. Die Planung für jetzt war noch mit der Vorstellung gemacht, wie früher gearbeitet worden ist. Das ändert sich aber gerade bei den Jungen. Wir müssen konkret ermöglichen, dass Kinder, Familie, persönliche Interessen und Beruf unter einen Hut passen. Dazu braucht es neue Arbeits- und Vertragsmodelle, die es ermöglichen, den Bedürfnissen entgegen zu kommen. Es braucht abgegrenzte Arbeitsbereiche in ländlichen Gebieten, eine Kinderbetreuung und Vertretungsmodelle (auch für längere Auszeiten), Karenzmodelle und Unterstützungen bei der Ordinationsgründung.
Was passiert dazu schon in Vorarlberg? Die Zeit bleibt nicht stehen, das ist ein Faktum. Es ist nicht einfach, solche Modelle zu entwickeln. Ich habe aber das Gefühl, dass wir mit den Vorarlberger Kassen in einem lebendigen Austausch waren und sind. Es wurden etwa Jobsharing-Modelle erarbeitet, die Junge jetzt oft in Anspruch nehmen. Die sogenannte Gesamtvergütung, ein an die Beitragseinnahmen gebundenes Budget, ermöglichte uns in den vergangenen Jahren immer wieder innovative Modelle. Ein angedachtes Modell ist, eine Vertretungsbörse zu entwickeln, wo wir auch Kolleg:innen ohne vertragliche Bindung mit der Bezahlung von Stundensätzen für die Vertretung gewinnen können. Wir wollen so auch ein Vertretungsmodell für Mutterschaftszeiten organisieren. Es gibt eindeutig ärztliche Ressourcen, die wir so für die Versorgung gewinnen können, das haben wir beim Impfen gesehen. Diese Gesamtvergütung hat Vor- und Nachteile. Es ist ein nach oben gedeckeltes Budget, wenn die Versichertenbeiträge allerdings stärker steigen, als die Honoraranpassungen, wird so auch Neues ermöglicht.
Wie groß ist der Mangel an Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich in Vorarlberg? Die Diskrepanz in den Honorarsummen zwischen Allgemeinmediziner:innen und Fachärzt:innen ist in Vorarlberg nicht so groß, wie in anderen Bundesländern. Dennoch haben wir derzeit die größten Probleme Kassenstellen für Allgemeinmedizin nachzubesetzen. Das Problem ist in den Talschaften wie dem Bregenzerwald weniger groß als in den Talschaften. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, einer ist sicher die hohe Patientenfrequenz in der Allgemeinmedizin. Es ist für Viele nicht vorstellbar, dass sie 120 Patient:innen am Tag abarbeiten. Die Realität in den Ordinationen ist oft anders, als sich junge Leute das vorstellen. Und wir erleben, dass junge Kolleg:innen, die zuerst Allgemeinmedizin im Rahmen der Ausbildung motiviert werden, sich als Fachärzt:innen ausbilden zu lassen. Auch im augenärztlichen Bereich hatten wir Probleme, Stellen in der Niederlassung zu besetzen. Diese waren aber anders gelagert als bei den Allgemeinmediziner:innen. Es wurden einfach zu wenige Leute ausgebildet. Und es besteht auch in den Spitälern ein großes Interesse, Ärzt:innen zu halten.
Braucht es hier bundesweile oder regionale Lösungen? Das Problem ist, dass es bei allen Modellen lange Verhandlungen in Gesundheitsplattformen braucht. Dazu kommen unterschiedliche Bedürfnisse der einzelnen Bundesländer. Flexibilisierungen im Kassenbereich gäbe es nicht, hätte es dafür eine Bundesabstimmung gebraucht. Es braucht regionale Möglichkeiten und Lösungsansätze für regionale Probleme. (Das Interview führte Martin Rümmele)